Der türkische Solarmarkt kämpft noch mit seinen Kinderkrankheiten, doch Beobachter rechnen mit einem regelrechten Boom in den nächsten Jahren. Ostasiatische Anbieter zeigen Interesse, nur die Investoren sind noch etwas zurückhaltend. (Foto: cihan)
-von DTJ-ONLINE
Einmal um die Welt mit Solarenergie! Das ist der Plan, den die Schweizer Flugpioniere Bertrand Piccard und André Borschberg verfolgen. Dazu haben Sie in diesen Tagen ihren Jungfernflug mit der „Solar Impulse 2“ erfolgreich absolviert. In einem knappen Jahr wollen die beiden Ingenieure dann die Welt mit ihrem Solarflieger einmal nonstop umrunden. Möglicherweise werden sie dann auch die Türkei überfliegen.
Wir wissen zwar nicht, ob das in großen Höhen eine Rolle spielt. Aber: Die Türkei hat zusammen mit Spanien das größte Sonnenenergie-Potenzial in ganz Europa. Vor allem das südliche Zentralanatolien, Südostanatolien und die Südküstenregion glänzen dabei mit Top-Werten in Sachen Sonnenscheindauer und -intensität. TürkStat, das staatliche türkische Statistikamt, hat dazu eine Karte herausgegeben, die die Einstrahlung nach Durchschnittswerten aus den vergangenen 20 Jahren darstellt. In der Regel werden dabei doppelt so hohe Werte wie in Deutschland erreicht. In Top-Lagen kommen schnell 1700 Kilowattstunden pro m² und mehr zusammen – ein Wert, von dem man in Deutschland nur „träumen“ kann, wie sich der Manager eines deutschen Solaranlagenprojektierers uns gegenüber ausdrückte.
Die Türkei lernt aus den Fehlern der Pioniere
Doch bisher ist noch wenig geschehen. Während Deutschland trotz seiner Sonnenarmut schon vor Jahren wichtige Schritte eingeleitet hat, um die Energieproduktion mit Blick auf strategische Aspekte (politische Abhängigkeit), die Sicherheit (Atomenergiewende) und CO2-Emissionen (Förderung Erneuerbarer Energien) zu diversifizieren, steht die Türkei erst am Anfang. So beschloss die Regierung im vergangenen Jahr eine staatliche Einspeisevergütung, die aus den Fehlern von Pionier-Staaten durchaus die richtigen Schlüsse gezogen hat.
Die Türkei zahlt für eine Dauer von 10 Jahren 0,133 US-Cent je Kilowattstunde. Das klingt zunächst nicht nach viel, die hohe Sonneneinstrahlung macht aber ein Investment für in- wie ausländische Investoren lukrativ. Zusätzlich bezahlt die Türkei in den ersten fünf Jahren einen Bonus, wenn die einzelnen Bestandteile wie die Unterkonstruktion, die Module, die Wechselrichter oder die Zellen aus einheimischer Produktion stammen. Im besten Fall kann so eine Maximalvergütung von mehr als 19 US-Cent je Kilowattstunde erzielt werden. Infolge dieser Maßnahmen soll die Türkei auch als Produktionsstandort langfristig eine Rolle spielen. In Deutschland und Spanien gab es solche Prämien nicht. Dies hatte zur Folge, dass vor allem deutsche Hersteller von chinesischen Anbietern aus dem Markt gedrängt wurden, da diese schlicht günstiger produzieren konnten. Bis auf die Zellen ist übrigens heute schon alles, was zur Umsetzung des Vorhabens benötigt wird, „Made in Turkey“ machbar.
Es läuft noch nicht alles rund
Aber: Es läuft noch nicht alles rund. So mancher Branchenkenner äußerte auf der Messe „Solarex“ Anfang April in Istanbul, dass insbesondere das Lizenzierungsverfahren für potenzielle Investoren noch abschreckend wirkt. Welches Unternehmen weshalb eine Lizenz bekommt, ist dabei offenbar nicht allen Marktteilnehmern klar. Doch diese Startprobleme kennen viele Unternehmen auch aus anderen Solarmärkten, die es zunächst einmal zu durchdringen galt. Besonders aktiv sind jetzt schon große türkische Energiekonzerne wie Enerjisa, das bereits Anträge für acht Kraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 250 MW gestellt haben soll. An Enerjisa ist der deutsche Stromriese E.ON zu 50% beteiligt. Besonders beliebt sind in dieser ersten Phase der Marktentwicklung übrigens Standorte in den Provinzen Konya und Van, denn dort herrschen optimale Bedingungen.