Die meisten Menschen auf der Welt sind ziemlich schlecht darin, wenn es darum geht konkrete Zahlen zu schätzen, wie sie zum Beispiel in den täglichen Nachrichten auftauchen. Wie dies öffentliche Debatten untergraben kann und Irreführungen hervorheben kann, zeigt nun eine britische Denkfabrik. (Foto: rtr)
-von forgsight
Der Think-Tank Ipsos Mori hat 14 Länder untersucht und gezeigt, dass das öffentliche Verständnis von Zahlen bei zentralen Debatten in der öffentlichen Meinung stark abweicht. Obwohl in Großbritannien nur 5% der Gesamtbevölkerung dem muslimischen Glauben angehörten, sei der Durchschnittsbrite davon überzeugt, dass 21% Muslime seien. In Deutschland, wo fünf Prozent Muslime sind, denkt die Bevölkerung, dass es 13% seien. Währenddessen denken Briten, dass in ihrem Land nur noch 39% Christen leben. Tatsächlich seien es 59%. In Deutschland hingegen wird der Anteil der Christen weitestgehend richtig auf 58% geschätzt.
Die Studie demonstriert generell, dass Fakten in der öffentlichen Meinung allenfalls eine untergeordnete Rolle spielen. So schätzte man in Großbritannien, dass in ihrem Land doppelt so viele Ausländer leben, als es in Wirklichkeit tun. In Deutschland war diese Quote nur etwas geringer.
Solche Fehlinterpretationen seien typisch auf der ganzen Welt, können aber einen signifikanten Einfluss haben, wenn Politiker auf Stimmenfang gehen, sich vom Populismus leiten lassen und Schreckgespenster hervorrufen anstatt Fakten zu beachten.
Bobby Duffy, Direktor von Ipsos Mori dazu:„Diese Fehlinterpretationen zeigen die Deutlichkeit und Notwendigkeit für eine informierte öffentliche Debatte und entsprechendem Policy-Making. Gesellschaftliche Notwendigkeiten wären zum Beispiel ganz anders, wenn die Öffentlichkeit ein klares Bild von den konkreten Zahlen hätte. Sei es nun zum Thema Einwanderung oder Teeniemütter.“
Dies veranlasst die Organisation einen so genannten „Ignoranz-Index“ einzuführen. Die gute Nachricht: Deutschland belegt dabei hinter Schweden den zweiten Platz. Italien und die USA belegen dabei die letzten beiden Plätze.
Jedes Land hat dabei eine besondere Schwachstelle, wo öffentliche Meinung und Fakten besonders abweichen. Während dies in Großbritannien das Thema Migration ist, ist es in Deutschland zum Beispiel das Thema der ungewollten Schwangerschaft bei Minderjährigen. Laut Umfrage gehen wir davon aus, dass 15% aller 15-19 jährigen Mädchen schwanger werden. Tatsächlich sind es gerade mal 0,4%. In Australien dagegen geht die Öffentlichkeit davon aus, dass die Mordrate extrem ansteigt.
Die Konsequenzen dieses Missverstehens von Zahlen sind stets verschieden, da sie auch von anderen Faktoren abhängen. Eine davon ist das Herausragen von bestimmten Themen: Je wichtiger der Wähler ein bestimmtes Thema sieht, desto eher ist er dazu geneigt eine Partei zu wählen, die sich diesem Thema besonders widmet. Das EU-Barometer, eine europaweite Umfrage, habe gezeigt, dass das Thema Migration in vielen EU-Staaten eines der drei Topthemen sei.
Duffy dazu:„Die Gefahr dieser Irreführungen ist, wie Politiker und Policy-Maker reagieren. Fordern sie die Bevölkerung heraus und korrigieren sie die öffentliche Meinung oder nehmen sie die Zahlen als Zeichen der Sorge und reagieren bzw. regieren sie nach den Emotionen der Menschen?“ (Guardian/ Ipsos mori)
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