Tränen vor der Kanzlerin – Flüchtlingskind vor Angst um ihre Zukunft

Das NDR organisierte ein Zusammentreffen zwischen der Bundeskanzlerin Angela Merkel und einer Gruppe von Schülern von der Rostocker Paul-Friedrich-Scheel-Schule. Dabei bringt ein palästinensisches Flüchtlingskind die Kanzlerin mit ihren Tränen in Schwierigkeiten. (Foto: bundesregierung.de)

Die neue Ausrichtung in der Öffentlichkeitsarbeit von Angela Merkel platziert die Bundeskanzlerin in einem für Sie und für die Gesellschaft ungewohntem Rampenlicht. Zunächst gewährte Merkel dem Youtube´er „Le Floid“´ein Interview. Fragen dazu lieferten meist junge Leute aus den sozialen Netzen. Auch am gestrigen Tag zog es Merkel in ein neues Format. Im Norddeutschen Rundfunk sprach Angela Merkel mit Schülern der Rostocker Paul-Friedrich-Scheel-Schule.

Das Motto der Sendung war „Gut leben in Deutschland“. Thematisiert wurden unter anderem auch die anstehenden 100.000 Asylanträge, die in einem Jahr bearbeitet werden würden, so die Bundeskanzlerin. Als dann plötzlich ein junges palästinensisches Flüchtlingsmädchen das Mikrofon bekommt, begegnet die erfahrene Politikerin einer für sie sehr ungewöhnlichen Situation.

Hoffnungsvolle Miene und leicht unsichere Stimme

Das kleine Mädchen heißt Reiem. Vor genau vier Jahren ist sie mit ihrer Familie aus dem Libanon geflohen. Sie spricht Deutsch, wie ihre Mitschüler und fällt besonders sympathisch auf. Mit einer hoffnungsvollen Miene und leicht unsicheren Stimme versucht sie der wichtigsten Politikerin Deutschlands ihre Ziele und Träume darzustellen. „Ich habe Ziele, so wie jeder andere. Studieren ist ein Wunsch und ein Ziel, das ich gerne schaffen möchte. Es ist wirklich sehr unangenehm zuzusehen, wie andere wirklich das Leben genießen können und man es selber nicht mitgenießen kann.“ erklärt Reem mutig.

Angela Merkel wirkt zwar angespannt, äußert allerdings zunächst Verständnis. Danach setzt sie aber fort, das Politik manchmal auch hart sei. Sie versucht kurz zu karikieren, wie viele Menschen in Krisengebieten, auch in der Heimat von Reem, auf Hilfe warten. Das wäre aber leider nicht möglich, jeden einfach nach Deutschland zu holen. Als die Kanzlerin dann von Fällen spricht, in denen Menschen auch wieder abgeschoben werden müssen, passiert etwas, dass Sie nie geahnt hätte. Auf ihren abschließenden Satz: „Aber es werden manche auch zurückgehen müssen.“ bricht die so starke Reem in Tränen aus. Reem ist mit ihrer Familie gefährdet abgeschoben zu werden. Damit würde sie ihre Träume und Ziele nicht mehr erreichen können.

FAZ: Video zeigt nur die halbe Wahrheit

Auf die Tränen der kleinen Reem reagiert die Kanzlerin emotional, streichelt sie und erklärt, dass ihre Leistung „Prima“ war. Der Moderator kommentiert diese Geste kritisch: „Ich glaube nicht, Frau Bundeskanzlerin, dass es da ums ‚Prima machen’ geht‚ sondern, dass es natürlich eine sehr belastende Situation ist…“. „Das weiß ich, dass es eine belastende Situation ist“, antwortet Merkel störrisch zurück, „und deshalb möchte ich sie trotzdem ein Mal streicheln, weil wir euch ja nicht in solche Situationen bringen wollen und weil du es ja auch schwer hast und aber ganz toll dargestellt hast für viele, viele andere, in welche Situation man kommen kann, ja?“

Laut der Frankfurter Allgemeine Zeitung widerspiegelt der Abschnitt nur die halbe Wahrheit. Das komplette Video der Sendung zeigt aber, dass die Kanzlerin mit Reem über formelle Angelegenheiten des Asylverfahrens ihrer Familie spricht. Diese Fragen kompetent zu beantworten fällt der jungen Schülerin allerdings schwer. In diesem Abschnitt kommt aber sehr wohl heraus, dass die Kanzlerin der Bundesrepublik für ein „Gut(es) leben in Deutschland“ wirbt, die Bearbeitung von 100.000 Asylanträgen verspricht, aber einer sichtlich talentierten jungen Palästinenserin keine Empathie entgegenbringen kann.

Hier können Sie das komplette Video sehen.