Die Wirtschaftskrisen 2007/09 mündeten nicht in den Umsturz des Kapitalismus aber in eine politische Sinnkrise der Linken. In einer viertägigen Mammut-Veranstaltung hat die Rosa Luxemburg-Stiftung Visionen einer sozialistischen Zukunft aufgestellt.
Die Weltwirtschaftskrise von 1929 hat damals das Vertrauen der Bevölkerung in den Kapitalismus tiefgreifend erschüttert. Der Sozialismus bzw. Kommunismus bildete für die Menschen in den kapitalistischen Ländern als eine heilsbringende Alternative. Verständlich. Denn die sozialistischen Länder blühten. Die Transformation der Gesellschaft und Wirtschaft dorthin wirkte für viele im Westen erstrebenswert.
Diese sozialistische und kommunistische Alternative ist keine 70 Jahre später zusammengebrochen. In den 1980er Jahren öffneten sich sozialistische bzw. kommunistische Staaten wie die Sowjetunion und China sogar auf seichte Weise der Idee der freien Marktwirtschaft. Heute gehören sie gar zu den führenden Wirtschaftsnationen der Welt.
Sozialismus und Kommunismus keine Alternative mehr
In den Wirtschaftskrisen von 2007/09 diesmal hatte die Bevölkerung aber keine zum Kapitalismus konkurrierende Alternative als Angebot. Auch scheinen die Wirtschaftskrisen nicht die historische Zäsur gewesen zu sein, die in ein Klassenkampf geführt hat. Denn dem historischen Materialismus nach Karl Marx und Friedrich Engels zufolge, auf die sich linke Ideologen berufen, hätte man erwarten dürfen, dass Unterklassen wie die Arbeiter sich auflehnen, um die Produktionsverhältnisse vom Kapitalismus in Richtung des‘ Sozialismus umzustürzen. Das ist ausgeblieben. Die weltweiten Wirtschatskrisen mündeten allerdings in eine politische Sinnkrise der linken Parteien.
Die transformatorischen Linken
Wie sieht also die sozialistische Zukunft aus? Welche Visionen haben die Linken zu bieten? Welche Antworten haben sie auf die vielfältigen Veränderungen in der Gesellschaft? In diesem Zusammenhang führt die Rosa Luxemburg-Stiftung, die der Partei DIE Linke nahe steht, an:
“Zu lange hat die Linke sich in innere Auseinandersetzungen verstrickt statt ihre Außenwirkung zu stärken. Zu oft prägen fruchtlose – politische und theoretische – Gegensätze das Feld: Reform oder Revolution, Protest oder Gestaltung, Bewegungen oder Parteien, Staat oder Zivilgesellschaft, Soziales oder Ökologisches, von Oben oder von Unten. Es ist Zeit, diese Gegensätze zu überwinden und an gemeinsamen konzeptionellen Grundlagen einer transformatorischen Linken zu arbeiten.” (aus: Futuring)
Vom 23. bis 26. April 2015 hat die parteinahe Stiftung der Linken in Berlin eine “Zukunftswoche” veranstaltet. In über 81 Veranstaltungen haben Politiker, Wissenschaftler, Autoren, Aktivisten, Vertreter der Zivilgesellschaft, Bürgerinnen und Bürger, Medienvertreter, Musiker, Künstler, Gewerkschafter und viele andere mehr vier Tage lang eine imposante Veranstaltung angeboten.
Digitalisierung, Arbeit, Gewerkschaften, Prekariat, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Urbansierung, Ökologie, Gerechtigkeit, Europa und viele weitere Themen wurden aus der Zukunftsbrille bewertet, diskutiert und dokumentiert.
Beeindrucke Dokumentation der Ergebnisse
Auf der Website Linke Woche der Zukunft sind sämtliche Veranstaltungen als Video, Blog, Broschüren oder Publikationen dokumentiert. In einer Beilage für die Tageszeitung Neues Deutschland haben verschiedene Autoren ihre Zukunftsvorstellungen und Analysen auf teilweise unterhaltsame Weise zusammengefasst. Am Ende der Beilage findet man eine Reihe von Publikationsempfehlungen, die man kostenlos herunterladen kann. Die gesamte Veranstaltung mündet schließlich in das Manifest “Die kommende Demokratie: Sozialismus 2.0” der beiden Vorsitzenden der Linken Katja Kipping und Bernd Riexinger ein.
Wie auch immer man parteipolitisch oder weltanschaulich gegenüber den Linken steht, aus Sicht der Zukunftsforschung und Systemanalyse ist ihnen eine Veranstaltung mit einem imposanten Wissensvolumen gelungen, die eins verdient: Anerkennung.