Während China, Russland und viele Schwellenländer mehr Geld für militärische Rüstung ausgeben, ist im Westen eine gegenläufige Tendenz bemerkbar. Die Folgen der Schuldenkrise dürften dabei eine nicht unerhebliche Rolle spielen. (Foto: E.Heidtmann)
– von DTJ-ONLINE
Der Westen rüstet ab, in vielen anderen Teilen der Welt ist im vergangenen Jahr mehr Geld für militärische Zwecke geflossen: Dieses Bild zeichnet ein neuer Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri. Vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer rüsten auf.
Der zuständige SIPRI-Experte Sam Perlo-Freeman führt dies in einigen Fällen auf das Wirtschaftswachstum oder ein wachsendes Sicherheitsbedürfnis zurück. In anderen Fällen handle es sich aber um eine Verschwendung der Erträge aus Rohstoffen, um die Machtsicherung autokratischer Regime oder um regionale Rüstungswettläufe.
Nach dem Putsch in der Ukraine wird allgemein damit gerechnet, dass auch in den westlichen Ländern, in denen derzeit politisch gegen die Vorgehensweise der Russischen Föderation Stimmung gemacht wird, die Ausgaben für militärische Zwecke tendenziell wieder steigen werden.
Die Entwicklungen nach Regionen:
EUROPA (MIT DEUTSCHLAND): In West- und Mitteleuropa sind die Militärausgaben 2013 weiter gesunken (auf 312 Milliarden US-Dollar, minus 2,4 Prozent im Vergleich zu 2012). Deutschland rückte zwar mit leicht gestiegenen Aufwendungen (48,8 Mrd. Dollar; rund 35,3 Mrd. Euro) auf der Liste der Staaten mit den höchsten Ausgaben von Platz Neun auf Platz Sieben vor. Insgesamt setzte sich der Trend der Kürzungen vor allem aus Spargründen aber fort. In Osteuropa wuchsen die Ausgaben dagegen um 5,3 Prozent auf 98,5 Milliarden Dollar.
RUSSLAND: Die Ausgaben für militärische Zwecke sind im vergangenen Jahr in Russland laut Sipri-Schätzungen um 4,8 Prozent auf 87,8 Milliarden US-Dollar (rund 63,5 Mrd. Euro) gestiegen. Zum ersten Mal seit 2003 habe das Land damit einen größeren Anteil seines Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben genutzt als die USA.
CHINA: In China ist der hohe Anstieg an militärischen Ausgaben (plus 7,4 Prozent im Vergleich zu 2012) einer langfristigen Politik der Aufrüstung parallel zum Wirtschaftswachstum des Landes zuzurechnen. Die Volksrepublik gibt inzwischen nach Sipri-Schätzungen rund 188 Milliarden Dollar (etwa 136 Mrd. Euro) für militärische Zwecke aus.
USA: Die Militärausgaben in den Vereinigten Staaten sind im vergangenen Jahr weiter geschrumpft (minus 7,8 Prozent). Grund dafür ist Sipri zufolge vor allem der Rückzug aus militärischen Operationen in Übersee. Trotzdem belegen die USA auf der Liste der Staaten weiter den unangefochtenen Spitzenplatz. Mit einem Anteil an den weltweiten Aufwendungen von 37 Prozent und Ausgaben von 640 Milliarden Dollar (rund 463 Mrd. Euro) liegen sie weit vor ihren nächsten Konkurrenten China und Russland.
Algerien will regionale Machtposition stärken
AFRIKA: Auf dem afrikanischen Kontinent stiegen die Militärausgaben 2013 weltweit am meisten. Die Aufwendungen kletterten um 8,3 Prozent auf 44,6 Milliarden US-Dollar (rund 32,3 Mrd. Euro). Ghana verdoppelte seine Ausgaben innerhalb eines Jahres. Auch in Algerien und Angola stiegen die Ausgaben kräftig an. In Algerien führt Sipri dieses Wachstum darauf zurück, dass das Land seine regionale Machtposition stärken und sich gegen Terroristen schützen will.
NAHOST: Zwischen 2004 und 2013 sind die Militärausgaben im Nahen Osten um 56 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr erreichten sie 150 Milliarden US-Dollar (aufgerundet 109 Mrd. Euro). Hier sind die Forscher aber mit einer sehr unsicheren Datenlage konfrontiert. Für den Iran, Katar, Syrien, die Vereinigten Arabischen Emirate und den Jemen lagen Sipri keine Daten vor. So verzeichnen sie den größten Anstieg 2013 für den Irak (plus 27 Prozent). In Saudi-Arabien kletterten die Ausgaben um 14 Prozent auf 67 Milliarden Dollar (rund 48,5 Mrd. Euro).
Türkische Rüstungsindustrie im Aufwind
ASIEN/PAZIFIK: Die höheren Ausgaben in China dominieren das Bild in Asien und der Pazifikregion. Während Sipri für den Rest dieses Erdteils ein moderates Wachstum von 0,9 Prozent verzeichnete, stiegen die Ausgaben in der Volksrepublik um 7,4 Prozent. In Australien sanken die Aufwendungen dagegen um 2,6 Prozent. Insgesamt wurden 407 Milliarden US-Dollar (etwa 294 Mrd. Euro) in das Militär investiert.
LATEINAMERIKA: In Lateinamerika hat sich das hohe Tempo der Ausgabensteigerung verlangsamt. Das liegt Sipri zufolge vor allem daran, dass Brasilien in den vergangenen Jahren weniger Geld für militärische Zwecke ausgegeben hat (2013: minus 3,9 Prozent im Vergleich zu 2012). In ganz Lateinamerika wuchsen die Ausgaben aber um 2,2 Prozent. Zwischen 2004 und 2013 verzeichnet Sipri sogar einen Anstieg von 61 Prozent.
In der Türkei freut sich wie viele Zweige der türkischen Wirtschaft auch dieRüstungsindustrie derzeit über einen wirtschaftlichen Boom. Die Nachfrage auf dem Verteidigungsmarkt für türkische Produkte und Know-how steigt kontinuierlich. Die Regierung geht davon aus, dass die Exporte der Rüstungsindustrie bis 2016 die 2-Milliarden-Dollar-Marke überschritten und damit sogar das einst selbst gesetzte Ziel übertroffen haben werden. (dpa/KNA/dtj)