Vertrauen als Teil des sozialen Kapitals gibt Auskunft über den Zustand Gesellschaft. Daher fordert Fabian Stephany ein gezieltes Monitoring ein, auch um das Risiko rechtsextremer Ausschreitungen wie in Ostdeutschland besser einzuschätzen. (Foto: Kashfi Halford)
Durch ein regelmäßiges und gezieltes regionales Monitoring der Vertrauenswerte und anderer Richtgrößen sozialen Kapitals ließen sich soziale Spannungen und Schwachstellen in der Zivilgesellschaft rechtzeitig erkennen. Die Ergebnisse können eine wichtige Grundlage für politische Interventionen sein.
Sprachliche Barrieren als Gefahr für gesellschaftliches Vertrauen
Sowohl Ergebnisse aus soziologischer Feldforschung, als auch Resultate psychologischer Laborexperimente, decken sich mit Hinblick auf die Grundlagen und Hindernisse von gesellschaftlichem Vertrauen. Zerstörend für gesellschaftliches Vertrauen sind alle Formen der extremen Segregation einer Gesellschaft.
Erscheinungen, die auf einer einseitigen Zugehörigkeit zu homogenen Gruppen basieren. Extreme ökonomische Ungleichheit sowie mangelnde Integration oder sprachliche Barrieren sind mögliche Gefahren für gesellschaftliches Vertrauen. Bei zu starker Segregation kann ein sehr ausgeprägtes Gruppenbewusstsein („die Gescheiterten“/ „die Ausländer“) entstehen und zur gleichen Zeit das Gefühl nicht zum „Rest der Gesellschaft“ zu gehören.
Am Beispiel der USA zeigt sich am deutlichsten, welche Folgen sowohl ethnische als auch ökonomische Segregation auf gesellschaftliches Vertrauen haben kann. Oft sind ethnische Gruppen nicht nur räumlich in verschiedenen Nachbarschaften klar getrennt. Zwischen „Weißen“ und „Schwarzen“ herrscht auch eine starke Einkommens- und Chancenungleichheit.
Gegenseitiges Misstrauen ließ sich in empirischen Ergebnissen zu gesellschaftlichem Vertrauen bereits ablesen, lange bevor es zu rassistischen Übergriffen der Polizei und gewalttätigen Aufständen der afroamerikanischen Bevölkerung, wie in Ferguson und Baltimore, kam.
Radikalisierung durch mangelndes Vertrauen
In den aktuellen Debatten um Akzeptanz gegenüber Flüchtlingen und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, tritt die zivilgesellschaftliche Bedeutung von Vertrauen zu Tage. Besonders stark äußert sich die Ablehnung gegenüber Schutzsuchenden in einigen Teilen Ostdeutschlands. Der Großteil aller Anschläge auf Asylbewerberheime in den letzten Monaten wurde dort verübt.
Zu Hochzeiten von PEGIDA versammelten sich in Dresden und Leipzig Tausende um gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ zu protestieren. Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda sind traurige Mahnmale für ausländerfeindliche Ausschreitungen in Ostdeutschland geworden.
Die Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“, die in ganz Deutschland Gewaltverbrechen verübte, organisierte sich von Jena aus. Ihre Mitglieder stammen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt. Allgemein machen in keiner Region Deutschlands rechtspopulistische oder offen ausländerfeindliche Bewegungen so viel Boden gut, wie im Osten des Landes. Doch was stimmt nicht mit (Ost-) Deutschlands Zivilgesellschaft?
Deutschland im Vergleich
Deutschland schneidet im europaweiten Vergleich von gesellschaftlichem Vertrauen eher mittelmäßig ab. In der Gruppe der EU27, nach den Umfrageergebnissen zu gesellschaftlichem Vertrauen geordnet, liegt Deutschland mit einem Durchschnittswert von 4,8 auf Rang 10. Die Liste wird klar von den Skandinavischen Ländern wie Dänemark (6,9), Norwegen (6,7) und Finnland (6,5) angeführt.
Schlusslichter sind Albanien (3,3), Bulgarien (3,4) und der Kosovo (3,6). Um sozioökonomische Effekte von gesellschaftlichem Vertrauen innerhalb des Landes genauer zu betrachten, muss man sich auf regionale Ebenen begeben. Im Vergleich der „NUTS I“ Regionen (in Deutschland sind dies Bundesländer) zeigt sich, dass es innerhalb Deutschlands zu bemerkenswerten Unterschieden kommt. Ein klarer Unterschied zwischen alten und neuen Bundesländern ist erkennbar (siehe Abbildung).
Oft sind es mangelnde gesellschaftliche Chancen und ein schlechtes Angebot an Verwirklichungsmöglichkeiten in der Gesellschaft, die zu mangelndem gesellschaftliches Vertrauen führen und so den Weg für einseitige und manchmal gefährliche Ideen ebnen. Leider muss im Fall Ostdeutschlands davon ausgegangen werden, dass es sich bei diesem Phänomen um ein noch wenig beachtetes „Erbe“ des DDR Regimes handelt.
Ziviles Engagement ist der Schlüssel
Durch ein Aufwachsen und Leben in einem System, das auf gegenseitiger Spionage und ständigem Misstrauen gegenüber anderen basierte, sind zivile Grundwerte nachhaltig beschädigt worden. Gesellschaftliche Werte, wie Vertrauen, sind oft tief im kulturellen Bewusstsein verankert und sehr persistent.
Ziviles Engagement ist ein Schlüssel zur Herstellung von gesellschaftlichem Vertrauen. Jede Art von gesellschaftlicher Interaktion mit Personen anderer Gesellschaftsgruppen hat nachweislich einen positiven Einfluss auf das gesellschaftliche Vertrauen eines Individuums. Es fördert das Zugehörigkeitsgefühl zu einer „Gesellschaft verschiedener Gruppen“ und vermindert das Risiko durch einseitige Identifikation die Verbreitung radikalen Gedankenguts.
Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement, das die Menschen zur gesellschaftlichen Teilhabe begeistert, wirkt in größerem Rahmen vorbeugend für den Erhalt einer offenen und toleranten Gesellschaft.
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