Landauf, landab engagieren sich sehr viele Bürgerinnen und Bürger für die Flüchtlinge, ohne auf den Staat zu warten. Das ist eine Vorlage für die FDP. Stattdessen macht sie ein Eigentor, führt Kamuran Sezer in seinem Meinungsbeitrag an. (Foto: Raimond Spekking)
Seit fünf Jahren habe ich regelmäßig darauf hingewiesen, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland eine Sog-Wirkung entstehen wird, durch die Menschen aus den bevölkerungsreichen Ecken der Welt in unsere Breitengraden gezogen werden.
Dahingehend sind die gegenwärtigen Flüchtlingsströme wenig überraschend. Es ist passiert, was die angewandte Systemtheorie lange schon beschrieben hat. Die Dämme, die den Einwanderungsdruck nach Europa lange Zeit auf Kosten und Leben der Flüchtlinge ausgehalten haben, sind gebrochen. Diese Einwanderungsströme werden weiter anhalten.
An den Humanismus Europas wieder erinnert
Die Bundeskanzlerin, die in diesen Tagen schwere Vorwürfe aushalten muss, ist nicht Schuld an dieser Entwicklung. Das muss klargestellt werden. In der Stunde der Not hat sie mit ihrer politischen Entscheidung das humanistische Antlitz gezeigt, das für Europa und die europäischen Werte fundamental ist.
Wohingegen einige FDP-Spitzenpolitiker über Flüchtlinge, Einwanderung und europäische Werte herumgepoltert haben, als ob sie eine Blitz-Schulung bei der Alternative für Deutschland absolviert hätten. Dabei müsste die FDP als die Partei der Bürgertums sich am meisten über diese Entwicklung freuen.
Die angewandte Systemtheorie kann zwar die großen Entwicklungslinien abzeichnen und vorhersagen. Sie kann aber nicht sagen, welche kurzfristigen Effekte eintreten werden: Dass die Nazis vor den Flüchtlingsheimen protestieren werden, hätte man noch erahnen können. Wie aber die Bürgerinnen und Bürger darauf reagiert haben, ist wohl die größte Überraschung.
Das neue Bürgertum: Ohne Staat einfach machen
In “Eine Gesellschaft hilft selbst” wurde bereits beschrieben, wie die Menschen in diesem Land sich selbst organisiert haben, um den Flüchtlingen auf vielfältige Weise zu helfen, ohne auf den Staat zu warten. Eigentlich eine perfekte Ausgangslage für eine liberale Partei, die sich in seiner Geschichte immer gegen einen starken Staat gestellt hat, um die Freiheitsgrade der Bürgerinnen und Bürger zu schützen und zu erweitern.
Statt in diesem Augenblick diesen Bürgerinnen und Bürger zur Seite zu stehen, propagiert die FDP-Führung für einen starken Staat, um die vermeintlichen Gefahren abzuwehren, die durch die Flüchtlinge sich ergeben könnten. Verrückt! Denn gegenwärtig gibt es Null-Erkenntnisse darüber, wer mit welcher Qualifikation und Motivation sowie Familiengeschichte nach Deutschland als Flüchtling gekommen ist.
In diesem Augenblick erfindet sich das Bürgertum in Deutschland neu. Das müsste eigentlich die Stunde der FDP sein! Stattdessen versagt sie – erneut.
Deutsche Wissenschaftler helfen Wissenschaftlern unter den Flüchtlingen
Die Zahl der Initiativen und Bevölkerungsgruppen, die mit ihren eigenen Mitteln und für sie typischen Ressourcen den Flüchtlinge Hilfe leisten, wächst mit jedem Tag. Nun kann sich eine weitere Gruppe dieser Liste von Initiativen einreihen: die deutsche Wissenschaft.
Unter www.chance-for-science.de haben Wissenschaftler der Uni Leipzig ein Portal aufgebaut, um den Akademikern und Forschern unter den Flüchtlingen eine Anlaufstelle zu bieten. Deutsche Wissenschaftler sollen auf diese Weise ihren Kollegen dabei unterstützen, ihre Forschungen aus der Heimat hier in Deutschland fortsetzen zu können.
Im Lichte dieser großartigen Initiativen, die der Welt die besten Seiten Deutschlands zeigen, kann man nur hoffen, dass die Führungsspitze der FDP endlich aufwacht und ihr Denken reformiert.
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