“Connectography” nennt Prag Khanna die Disziplin, die beschreiben will, warum Nationalstaaten verschwinden und stattdessen eine globale Netzwerkgesellschaft entstehen wird. Wichtigster Baustein für diese Entwicklung: Megacities.
Folgt man dem Friedensforschungs-Institut SIPRI, das jedes Jahr eine Studie zu weltweiten Militärausgaben vorlegt, dann hat die Welt im vergangenen Jahr wieder massiv aufgerüstet. Zwar weist die USA nach wie vor das höchste Militärhaushalt aus, hat aber dieses im vergangen Jahr um mehr als zwei Prozent reduziert.
Anders sieht es in Europa aus. Insbesondere osteuropäische NATO-Staaten rüsten mit Blick auf Russland auf. Letzterer hingegen engagiert sich in Syrien und Ukraine, so dass eine Zunahme der Militärausgaben absehbar war. Besorgt schaut man auch nach Saudi-Arabien, das über die vergangenen Jahre fleißig Waffen eingekauft hat, diese jetzt in Jemen und Syrien einsetzt.
Droht der dritte Weltkrieg?
Steht die Welt vor dem militärischen Kollaps? Steuern wir womöglich auf den dritten Weltkrieg zu? Berechtigte Gründe für diese Sorgen gibt es, wenn man die Konfliktherde weltweit vor Augen führt. Der indisch-amerikanische Politikwissenschaftler Parag Khanna hingegen sieht eine gegenteilige Entwicklung auf der Welt: Die Länder dieser Welt geben deutlich mehr Geld für den Ausbau der Infrastruktur aus als für Waffen.
Damit meint er nicht nur Straßen, Brücken, Tunnel, Flughäfen oder dergleichen, sondern im Besonderen auch Infrastruktur für Kommunikation und Vernetzung. Khanna gibt als Grund an, dass die bestehende Infrastruktur weltweit auf drei Milliarden Menschen ausgerichtet ist. Dabei wird die Erde von sieben Milliarden Menschen bewohnt. Bis 2050 wird ein Bevölkerungswachstum auf über neun Milliarden erwartet.
Globale Netzwerkgesellschaft statt Nationalstaaten
In den nächsten 40 Jahren werden mehr Infrastruktur aufgebaut als in den 4.000 Jahren Menschheitsgeschichte zuvor, so Khanna in seiner TED-Vortrag aus dem Jahr 2009. Im Zuge dieser Entwicklung werden aus Nationalstaaten, die typisch für das 20. Jahrhundert waren, eine global verzweigte Netzwerkgesellschaft, die keine nationalstaatlichen Grenzen kennt.
Khanna führt dabei die These an: Nicht (staatliche) Souveränität sondern Konnektivität bildet bereits heute das Organisationsprinzip der Menschheit. Die Städte, genau genommen die Megastädte, spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sind nicht mehr die Ursache unsere zivilisatorischen Probleme, so Khanna in seinem TED-Vortrag, sondern sind inzwischen Teil der Lösung geworden.
Megacity-Cluster: Bausteine des 21. Jahrhundert
In der Netzwerkgesellschaft stellen die Städte Teile einer grenzübergreifenden Wertschöpfungskette. Sie sind vom globalen Netzwerk viel stärker abhängig als zu ihrem Heimatland. Investition, Produktion, Logistik und Wissen werden über Ländergrenzen hinweg in einem globalen Netzwerk verschoben, geteilt und vermehrt. So kann vermehrt beobachten, wie aus manchen Städten Megacities und aus Megacities und Megacity-Cluster werden.
Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht in einer Region oder innerhalb von Ländergrenzen verbleiben. Die Megacity-Cluster setzen sich teilweise aus Städten benachbarter Länder zusammen. Für 2030 erwartet Khanna rund 50 solcher Megacity-Cluster weltweit, die eine Ära der “planet urbanization” anstoßen werden.
Manuel Castells’ Netzwerkgesellschaft
Bereits Mitte 1995 hat der Soziologe Manuel Castells das Aufkommen einer Netzwerkgesellschaft auf der Grundlage der Informationstechnologien beschrieben, wie sie gerade im Entstehen ist.