Journalismus: Der Überlebenstrieb ist groß

Wer braucht heutzutage Journalisten? Automatisierte Textproduktionen dank KI einerseits und Content Marketing als neue Form der Kommunikation andererseits, setzen den Journalismus gewaltig unter Druck. Der Überlebenstrieb ist größer als die Überlebenschancen.   

Seit Jahren wird über die Strukturanpassung der Medienbranche diskutiert. Jedoch wird der Beruf des Journalisten in der Öffentlichkeit kaum diskutiert. Dabei musste sich das Berufsbild unter dem Druck der Digitalisierung mehrfach anpassen.

Für Journalisten reicht “Schreiben” alleine nicht mehr aus. Sie müssen sich auch mit Webdesign, Multimedia, Suchmaschinen und Sozialen Netzwerken auskennen. Der Journalist hat sich von einer hochspezialisierten Fachkraft zum hochspezialisierten Alleskönner entwickelt.

Warum wird der Beruf des Journalisten nicht hinterfragt

Dass die Medienbranche unter dem Eindruck des Megatrends Internet nach neuen funktionierenden Geschäftsmodellen im digitalen Zeitalter finden muss, ist verständlich. Wenig verständlich hingegen ist, warum der Beruf des Journalismus nicht hinterfragt wird, stellt man sich beim Sichten einer Studie über die Zukunft des Journalismus die Frage.

2011 führte die Initiative “Stiftung Neue Verantwortung” gemeinsam mit dem Beratungshaus IFOK die Onlineumfrage “Journalismus 2020” durch, an der über 800 Journalisten teilgenommen haben. “Mit der Umfrage sollte herausgefunden werden, wie Journalisten in Deutschland den aktuellen Zustand und die Perspektiven ihrer Branche einschätzen.”, schreiben die Autoren der Studie.

Insgesamt kommt die Studie kommt zu einem zwiespältigen Ergebnis. Zwar wird auf die vielen Krisenmomente der Medienindustrie hingewiesen, die einen Anpassungsdruck auf sie ausüben. Jedoch lässt sie den Journalismus weitgehend unangetastet, was eigentlich verwundert. Denn bei der Suche der Medienunternehmen nach funktionierenden Geschäftsmodellen bleibt das Berufsbild nicht verschont.

“Massen-Selbstkommunikation” in der Netzwerkgesellschaft

Dabei verweisen die Autoren selbst, dass “eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Zukunft des Journalismus im Zeitalter der „Massen-Selbstkommunikation“ (Manuel Castells) notwendiger denn je” ist. Gleichzeitig möchten sie feststellen, dass Journalisten ihre Alleinstellungsmerkmale nicht aufgeben müssen. “Es gilt, diese Alleinstellungsmerkmale unter veränderten Rahmenbedingungen zu verteidigen und sogar auszuweiten.”

Dabei ist der Journalismus akut von einem tiefgreifenden Wandel betroffen: Manche Finanznachrichten werden automatisiert und ohne den Eingriff eines professionellen Journalisten erstellt. Blogs verlassen immer mehr ihre Ecke und entwickeln sich dank Werbeeinnahmen und Crowdfunding zu einem funktionierenden Geschäftsmodell, das wenige hauptamtliche Mitarbeiter tragen kann.

Aus dem PR-Journalismus ist inzwischen eine eigene Industrie geworden. Waren professionelle Interessenvertreter und PR-Berater vom Wohlwollen und von guten Beziehungen zu Redaktionen abhängig, hat das Internet ihnen Wege frei gegraben, die sie von professionellen Strukturen unabhängig machen.

Professionelle Kommunikationsarbeit statt Journalismus?

Auch die Unternehmenskommunikation erlebt einen neuen Aufschwung. Content Marketing ist dabei das neue Zauberwort. Das mobile Internet und die Vielfalt an technischen Endgeräten erlauben Unternehmen ihre Botschaften passgenau bei den erwünschten Zielgruppen zu platzieren. Mehr noch: Sie können mit den Personengruppen in eine Interaktion treten, die vorher nicht möglich war.

Der Überlebenstrieb des Journalismus’ ist genauso stark wie bei allen anderen Berufen auch, die durch die Technologie oder soziale Innovationen ihrer Zeit eingeholt und letztendlich verschüttet wurden. Es reicht nicht aus, über Chancen und Risiken des Journalismus im Zeitalter der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Vielmehr sollte die Frage nach den neuen Inhalten und neuen Formen professioneller Kommunikationsarbeit im 21. Jahrhundert nachgedacht werden.