Hooligans gegen Salafisten, Pogida und islamkritische Kommentatoren. Kaum ein Thema wird derzeit so heftig und kontrovers diskutiert, wie die Rolle der muslimischen Bevölkerung in Deutschland. Dass für einen großen Teil der Bundesbürger der Islam etwas Fremdes darstellt, zeigt nun eine Studie des Berliner Instituts für Integrations- und Meinungsforschung. (Foto: cihan)
– von forgsight
Jahre nach der Aussage des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, zeigt die Studie „Deutschland postmigrantisch“, dass dieser Satz noch nicht in den Köpfen des Großteils der Bevölkerung Einzug gehalten hat, trotz knapp vier Millionen muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland, von denen die meisten sogar einen deutschen Pass besitzen.
Ob nun Hooligans gegen Salafisten in Köln oder Pogeda in Dresden. Angesichts unsachlicher Argumentation und der Unterwanderung durch Rechtsradikale bei den Demonstrationen, die tausende Menschen auf die Straßen zogen, sind die Ergebnisse der Studie relativ erschreckend. Befragt wurden in der Studie nämlich ausschließlich Nicht-Muslime, wie sie die Rolle der Muslimen in der Bundesrepublik einordnen. Die Ergebnisse wurden der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Aydan Özogüz vorgelegt.
Die Sozialwissenschaftlerin Naka Fouroutan befragte anderthalb Jahre lang rund 8.000 Bundesbürgerinnen und –Bürger. Die Ergebnisse der Studie sind bedenklich. So denken 27 Prozent, dass Muslime aggressiver seien. Knapp ein Drittel ist der Ansicht, dass Mitbürger mit muslimischen Glauben weniger gebildet bzw. ambitioniert seien Bildung zu erlangen.
Knapp zwanzig Prozent sehen Forderungen seitens der Muslimen in der Bundesrepublik als negativ an, obwohl 67% der Ansicht sind, dass das Stellen von Forderungen seitens islamischer Mitbürger legitim sei.
42% der Befragten würden den Bau von Moscheen und 60% die Beschneidung von Jungen einschränken. Knapp die Hälfte der Befragten sind der Meinung, dass Lehrerinnen in Deutschland kein Kopftuch tragen sollten, wovon 38% der Befragten die Ansicht vertreten, dass das Tragen von Kopftüchern nicht deutsch sei, wohingegen der Rest für die klare Trennung zwischen Religion und Staat plädiere.
Je größer die nationale Identität, desto größer die Abwehr gegen Themen wie Moscheen, Kopftücher und Beschneidungen. Die Autoren der Studie sehen darin eine klare Abwertung und Abgrenzung vom Islam in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung.
85% der Befragten: „Ich liebe Deutschland“
Wie eine britische Denkfabrik schon im November (LINK) zeigte, gibt es auch in dieser Studie eine deutliche Diskrepanz hinsichtlich der Wahrnehmung und der tatsächlichen Anzahl der Muslime in Deutschland. So überschätzen knapp 70% der Befragten die Anzahl der Muslime. 25% denken sogar, dass Muslime einen Anteil von einem Fünftel der Bevölkerung ausmachten.
Weiterhin demonstriert die Studie eine weitestgehend positive Verbundenheit der Befragten mit der Bundesrepublik. So stimmen 85% der Befragten der Aussage zu „Ich liebe Deutschland.“ Bemerkenswert ist auch, dass 81% der Bürger mit Migrationshintergrund dieser Aussage zustimmen und knapp drei Viertel sich sogar als deutsch fühlen. Allerdings sei es nur für 47% wichtig auch als Deutscher zu sehen.
Bei der Frage, was „deutschsein“ ausmache, antworteten 97% der Befragten, die deutsche Sprache zu beherrschen. Für 79% war der Besitz eines deutschen Passes entscheidend, während für 37% deutsche Vorfahren jemanden zum Deutschen machen.
Für knapp die Hälfte stellt die Wiedervereinigung das entscheidende und prägende historische Ereignis des Landes dar. Nur 16% sehen dies im Zweiten Weltkrieg und gerade einmal 0,5% im Holocaust. Die Autoren der Studie interpretieren dies so, dass negative historische Ereignisse eines Landes keinen erheblichen Einfluss auf die nationale Identifikation haben.(SPON/ forgsight)