In seinem Gastbeitrag vom 4. Juni 2015 sprach Prof. Eugene A. Fitzgerald vom so genannten Mooreschen Effekt, welcher besagt, dass Computer und Maschinen mit der Zeit immer leistungsfähiger werden. Eine Studie der Universität Wien belegt nun, dass dieser Effekt auch beim Menschen gilt.
Das Phänomen, dass auch die intellektuellen Kapazitäten des Menschen sukzessiv zunehmen, ist nicht neu. Es ist allgemein hin als Flynn-Effekt bekannt nach dem US-amerikanischen Politologen James R. Flynn, der dies bereits in den 1980ern anhand von 14 Industrienationen untersuchte. Laut seiner Untersuchung betrage der Intelligenzwachstum pro Generation zwischen 5 und 25 IQ-Punkte.
Jemand, der in den 1950ern gelebt hat, könnte also Aufgaben eines IQ-Tests aus der heutigen Zeit kaum noch lösen. Der Intelligenzquotient bei Frauen sei dabei stärker angestiegen als der der Männer. Ursachen dafür sieht Flynn in den verbesserten gesellschaftlichen Umweltbedingungen getragen durch Bildung, Massenmedien, aber auch durch verbesserte Gesundheitssysteme und Ernährung. Er betonte jedoch stets, dass er an Wachstumsgrenzen dieser Entwicklung glaube.
Anhand von 271 Datensätzen mit insgesamt vier Millionen Teilnehmern aus 31 Ländern im Zeitraum von 1909 bis 2013, bestätigen nun Psychologen der Universität Wien nun Flynns Einschätzungen. Pro Jahrzehnt habe sich der durchschnittliche IQ-Wert um drei Prozent verbessert, so die Ausrichter der Studie Jakob Pietschnig und Martin Voracek gegenüber der “Perspectives on Psycholgical Sciences”.
Asien mit größtem Zuwachs
Zwar sind die Startwerte der Untersuchung jeweils unterschiedlich hinsichtlich des Zeitpunktes und der Punktzahl, doch lässt sich durchaus ein Trend erkennen. Den größten Zuwachs verzeichnete Asien. Seit 1951 ist der durchschnittliche IQ dort um ca. 30 Punkte gestiegen. Welchen Ausmaß der Flynn-Effekt hat, wird auch am Beispiel Amerika deutlich. Seit dem erstmaligen Erheben von Daten im Jahr 1909 ist der IQ dort um knapp 30 Punkte gestiegen. In Europa sind es von 1913 bis heute immerhin knapp 23.
Bemerkenswert ist, dass der Anstieg nirgends gleichmäßig stattfand, sondern dass es häufig eine Art Katalysator gegeben hat, wo der Anstieg besonders stark gewesen ist. Weltweit war dies die Periode zwischen 1925 und 1940. Interessant ist außerdem, dass der stärkste Zuwachs im Bereich der fluiden Intelligenz, also hinsichtlich der Logik und dem Abstraktionsverhalten stattfand, wo es um Zahlenketten etc. geht und nicht um reine Wissensabfrage.
Flynns Wachstumsgrenzen scheinen sich zu bestätigen
Gründe für dieses Phänomen sehen die Forscher im technologischen Fortschritt, insbesondere durch das Internet, die “spezielle Anforderungen an den Menschen stellt”, so Pietschnig. Bereits das Einloggen in ein Internetportal sei ein komplexer Vorgang, den es so vor im letzten Jahrhundert noch nicht gegeben habe. Wenn es jedoch um das Abfragen von reinem Wissen geht, so ist das Wachstum geringer und würde Flynns These bestätigen, wonach es Grenzen des Wachstums gibt. In einigen Ländern, wie Finnland sei das Wachstum in den vergangenen Jahren sogar gesunken. Bemerkenswert ist dies vor allem unter den Umständen, dass unsere Generation wohl zu den ersten gehört, die über das Internet quasi jederzeit und umsonst auf das gesamte Wissen der Menschheit zurückgreifen kann.
Wie oben schon angesprochen, ist die Untersuchung nicht mehr als ein Indikator. So muss der technologische Fortschritt nicht ausschlaggebend sein für den Flynn-Effekt. Sogar in Länder, wie Kenia, die teilweise aus technologischer Perspektive relativ unterentwickelt sind, hätten konstante Steigerungen stattgefunden.
Umweltfaktoren wichtiger als technologische
Viel wichtiger seien laut den Forschern die Umweltfaktoren, wie sie auch schon Flynn erwähnte, wie Bildung oder medizinische Versorgung. Aber auch soziale Multiplikatoren seien wichtig. Wenn ein Individuum merkt, dass er von der Gesellschaft mehr belohnt wird, indem er sein Wissen und seine Fertigkeiten steigert, dann ist es wahrscheinlicher, dass auch das Wissen der Gesellschaft ansteigt. Das angesprochene Beispiel des Katalysators von Entwicklung von 1925 bis 1940 ist nur logisch, denn nach dem ersten Weltkrieg stabilisierte sich die medizinische Versorgung, die Ernährung und auch die Bildung wieder. Während des Zweiten Weltkriegs sank sie wieder, um danach wieder weltweit anzusteigen. (Quellen: Perspectives on Psychological Sciences)
Mehr Wissen?