Eine Studie der Evangelischen Kirche zeigt: Der rasante Glaubensverlust ist nicht rückgängig zu machen. Zugleich gibt es mehr treue Christen als gedacht. Die wollen aber keine politisierenden Pfarrer. (Foto: rtr)
-von forgsight
Ganz oder gar nicht. Entweder glauben die Menschen fest an Gott und beteiligen sich am kirchlichen Leben – oder sie sind komplett unreligiös, damit beschäftigt sich der folgene Artikel aus der WELT. Diese zunehmende Polarisierung bei gleichzeitigem Rückgang einer mittleren Mentalität von trägen „Weihnachtschristen“ ist der zentrale Befund der neuen „Erhebung über Kirchenmitgliedschaft“, die von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durchgeführt und am Donnerstag vorgestellt wurde.
So ergibt sich beim Vergleich mit der vorherigen Untersuchung aus den Jahren 2002 bis 2004, dass mittlerweile deutlich weniger Protestanten von sich sagen, sie fühlten sich ihrer Kirche „etwas verbunden“. 2002/2004 waren diese Christen auf Halbdistanz zu 36 Prozent vertreten, jetzt sind es nur noch 25 Prozent. Deutlich gestiegen hingegen ist der Anteil jener, die sich „sehr“ oder „ziemlich verbunden“ fühlen, nämlich von 38 auf 43 Prozent. Genauso aber wächst am entgegengesetzten Ende die Gruppe derer, die „kaum“ oder „überhaupt nicht verbunden“ sind. Ihr Anteil stieg von 26 auf 32 Prozent. Fast ein Drittel der evangelischen Kirchenmitglieder hat somit weder Interesse an der Institution noch Berührung mit deren religiöser Praxis.
Diese Verfestigung der Religionslosigkeit konstatiert die neue Studie sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche. Im EKD-Auftrag von TNS Emnid befragt wurden nämlich nicht nur rund 2000 repräsentativ ausgewählte Kirchenmitglieder, sondern auch 565 ausgetretene ehemalige Protestanten sowie 446 Konfessionslose, die noch nie einer Religionsgemeinschaft angehörten.
Unter missionarischen Gesichtspunkten ist eine so intensive Beschäftigung mit den Fernen unbedingt geboten, muss die Kirche doch wissen, wie jene Menschen denken und interessiert werden könnten. Doch ergeben hat sich bei der Untersuchung, dass missionarisch hier kaum etwas zu holen ist.
Besonders deutlich wird das an den Gründen, die Ausgetretene für ihr Verlassen der Kirche anführen. Die größte Zustimmung erhalten da Aussagen, die kirchlichen Argumenten nicht zugänglich sind: Dass einem die Kirche „gleichgültig“ sei, dass man „Religion fürs Leben nicht brauche“ und dass die Kirche grundsätzlich „unglaubwürdig“ sei. Diese am meisten genannten Gründe bezeugen ein derart festes Desinteresse an Glaubensbotschaften, dass kaum vorstellbar ist, wie die Kirche daran etwas ändern könnte.
Deutlich seltener bei Ausgetretenen sind hingegen Aussagen, die sich vielleicht ändern könnten, weil darin kirchliches Fehlverhalten angesprochen wird, etwa dass man sich über Stellungnahmen der Bischöfe oder einzelne Pfarrer geärgert hätte. Mithin lässt sich nicht mehr sagen, dass es am Agieren der Institution liege, wenn sie Mitglieder verliert. Nein, entscheidend ist, dass man nicht glaubt und nicht glauben will. Auch die Kirchensteuer ist nicht mehr der zentrale Austrittsgrund. Nicht-Gläubigkeit als solche ist bekenntnisfähig geworden.
In der jüngsten befragten Generation, bei den 14- bis 21-Jährigen, sagen selbst von den Kirchenmitgliedern in Westdeutschland weniger als die Hälfte (49 Prozent), dass sie religiös erzogen worden seien. Von den Konfessionslosen dieses Alters berichten nur acht Prozent im Westen und 14 Prozent in Ostdeutschland über eine religiöse Erziehung. (WELT, dtj, forgsight)