Zeitungen, wichtige Institutionen einer modernen und aufgeklärten Demokratie, stehen unter Veränderungsdruck. In welche Richtung könnten sie sich entwickeln? Patrizia Trolese hat sich vorgestellt, wie die nahe Zukunft der Zeitungen aussehen könnte.
Paula beginnt ihren Morgen mit dem Griff zum Smartphone, das immer auf ihrem Nachttisch liegt. „Habe ich neue WhatsApp-Nachrichten bekommen?“, ist ihr erster Gedanke. Beim Duschen hört sie gerne Musik von Spotify. Danach und manchmal schon vor dem Frühstück fährt sie ihren Laptop für Facebook und YouTube hoch. Dort verfolgt sie sogar Nachrichten. Sie will schon wissen, was in der Welt los ist. Im Laufe des Tages kommt sie deshalb über ihr Smartphone auch auf Twitter vorbei.
Paula ist eine Gefahr für die Zeitungsbranche. Sie will partout keine gedruckten Zeitungen mehr kaufen. Und zwar nicht erst seit der Jahrtausendwende, als sich das Internet in ihrem und das Leben ihrer Generation breitgemacht hat. Bereits seit Anfang der 80 Jahre geht es mit der Branche abwärts. Damals betrug die Auflage aller Zeitungen in Deutschland noch über 30 Millionen Exemplare. Dreißig Jahre später, im Jahr 2013, waren es nur noch 17 Millionen.
Neue Wettbewerber
„Auflage und Reichweite bringen Werbung, Werbung bringt Geld, und Geld bringt Unabhängigkeit“, so lautete der Schlachtruf von Joseph Pulitzer. Damals konnte man sich als Faustformel merken: „Zeitungsumsätze speisen sich zu zwei Dritteln aus Anzeigen- und zu einem Drittel aus Vertriebs-Erlösen.“
Mittlerweile ist das Verhältnis umgekehrt. In den Jahren 2010 bis 2013 sind die Werbe-Einnahmen der Zeitungen hierzulande von gut 3,6 auf 2,9 Milliarden Euro zusammengeschrumpft – bei insgesamt steigenden Werbeaufwendungen. Diese flossen vielmehr in die „neuen“ Medien Radio, TV und Internet. Inzwischen entscheidet in den Werbe- und Media-Agenturen eine Manager-Generation wie Paula, die selbst keine Zeitung mehr liest. Und wenn, dann bezahlen sie auf „Bild-“ oder „Welt-Online“ ad hoc für Content, der sie wirklich interessiert.
Die Tricks der neuen Wettbewerber
Facebook und andere technische Ökosysteme bieten spannenden Content an, ohne dafür viel journalistische Arbeit aufwenden zu müssen. Dort kombinieren selbst lernende Rechner mit Hilfe von Big Data automatisch News, die Mitglieder „geposted“ haben, und zwar so, dass die Posts zu den Bedürfnissen individueller Nutzer passen. Darüber hinaus hat Mark Zuckerberg kürzlich mit der „New York Times“, „Spiegel Online“ und „National Geographic“ Kooperationen geschlossen, damit diese nun ebenfalls Content in die Facebook-„Streams“ einfügen können.
Technische Ökosysteme wie Facebook, Google und Apple sind die neuen „Zeitungen“ von heute. Sie versorgen ihre Nutzer mit News und Orientierung sowie darüber hinaus mit Kontakten. Je nach Verfassung wählen diese XING, Parship oder Facebook – nicht nur Content, sondern auch Kontakte, die sie hier finden, sind individuell für sie ausgesucht. Die Nutzerzahlen solcher Ökosysteme sind vertrauenerweckend. Meinungsbildner und Thought Leader können sie per Klick folgen.
Die Zukunft der Zeitungen
Bald beginnt Paulas Tag mit dem Griff nach Google Glass, die immer auf ihrem Nachttisch liegt. Automatisch lässt die Brille in Abhängigkeit von der Uhrzeit eine mehr oder weniger furchterregende Version ihres Vorgesetzten vor Paulas Auge erscheinen und ob ihre S-Bahn heute pünktlich sein wird. Paula lässt sich die neuen Nachrichten, die sie via Facebook oder WhatsApp bekommen hat, vorlesen während sie aufsteht. Zum Duschen hört sie gerne ihre Lieblingshits, die ihr ganz von alleine von Spotify präsentiert werden. Danach und manchmal schon vor dem Frühstück verfolgt und schreibt sie Nachrichten aus und für die Welt.
Später wählt sie ihren „Arbeitsverfassungs-Anker“, den der „F.A.Z.“, der ihre Welt als Venture Capital-Investorin mit Content, Kontakten, help, games und vielem mehr bedarfsgerecht, digital anreichert. Dank selbständig lernender Übersetzungsmaschinen kann sie sich zudem real-time mit Freunden aus aller Welt unterhalten. Mehr noch: Sogar virtuelle Figuren reagieren während ihrer Mittagspause beim Gaming auf sie. Ein Flusspferd staunt zurück, als Paula es erschrocken erblickt. Eine Schlange in schlängelt ob des ungewohnten Anblicks Gott sei Dank erschrocken davon.
Am Abend wird ihr „Gesundheits-Anker“ automatisch ausgeworfen und der „F.A.Z-Anker“ eingeholt: Bald sorgen Apps dafür, dass Paula gar nicht erst krank wird. Denn dafür ist sie bald selbst verantwortlich.