Ein Gedankenspiel: Stellen Sie sich vor, wie unsere Gesellschaft aussehen würde, wenn der Mensch nicht mehr auf Nahrungsaufnahme angewiesen wäre. Da er kein Essen und Wasser mehr benötigt, ist er nicht darauf angewiesen, einer Arbeit nachzugehen, um Geld zu verdienen. Aber was würde er mit seiner ganzen Zeit machen? Würde er sie dazu nutzen, um Sinnvolles zu tun, und sich der Kunst, Kultur und Bildung hingeben? Oder würde er den Streit mit anderen Menschen suchen, weil er sich auf diese Weise unterhält?
Nun könnte man meinen, dass dieses Gedankenspiel unnütz ist. Schließlich gehört das Essen zur unverzichtbaren Natur des Menschen. Also, bleibt diesem Menschen nichts anderes übrig, weiterhin einer Erwerbsarbeit nachzugehen, um sich und seine Familie zu ernähren. Doch die Vorstellung, dass der Mensch keiner Arbeit nachgeht und deswegen viel Zeit zur freien Verfügung hat, ist nicht einmal abwegig.
Vor kurzem haben zwei Forscher an der University of Oxford ermittelt, dass jeder zweite Beruf von heute 20 Jahre später im Jahr 2035 durch eine Maschine, einen Computer oder Roboter ausgeführt werden könnte. Zu den Risikogruppen gehören nicht nur solche Berufe, bei der ein Mensch eine Maschine oder ein Fahrzeug bedienen muss, wie z.B. Lokführer oder LKW-Fahrer. Die großen Autobauer arbeiten bereits an entsprechenden Technologien, die jetzt schon sehr gut funktionieren. Es wird auch Berufe betreffen, von der man eigentlich annimmt, dass der Mensch unverzichtbar ist. Dazu gehört der Call Center-Mitarbeiter.
Sie haben ein Problem mit Ihrem Fernsehgerät und rufen den Service-Hotline an. Und da soll ein Computer in der Lage sein, Ihre Problembeschreibung zu erfassen, zu verstehen und Ihnen auch noch eine individuelle Lösung anbieten können!? Genau daran wird gerade gearbeitet.
Es gibt in den USA einen spannenden Wettbewerb zur künstlichen Intelligenz, den so genannten „Turing-Test“. Diesen gibt es schon seit 1950, er wurde vom britischen Mathematiker Alan Turing vorgeschlagen, um zu ermitteln, wie gut oder wie schnell die Maschinen das Denkvermögen von Menschen erreichen. In diesem Test führen unabhängige Juroren ein Gespräch via Text-Chat, bei dem sie den Gegenüber weder hören noch sehen können. Am Ende des Gesprächs geben die Juroren an, ob ihr Gesprächspartner ein Mensch oder eine Maschine war. Keine Maschine hat den Turing-Test bestanden – bis jetzt! Im Sommer wurde „Eugene Goostman“, eigentlich ein von einem russischen Informatiker entwickelte Computersoftware, für einen 13-jährigen Jungen gehalten.
USA überlegen, Japaner planen Altenpflege mit Robotern
Und es geht noch weiter! Insbesondere die USA demonstrieren ihre Überlegenheit auf diesem Gebiet. Als „Curiosity“ 2012 auf dem Mars landete, um unseren roten Nachbarn zu erkunden, erfolgte der letzte Abschnitt der Landung, ohne dass eine Menschenhand in diesen Vorgang eingriff. Das bedeutet, eine Maschine hat alle Entscheidungen autonom gefällt. Was sich nicht spektakulär anhört, war im Grunde eine beeindruckende Demonstration der technischen Überlegenheit der USA und eine Zäsur.
Was sich nach Science-Fiction anhört, ist längst Realität geworden, die schrittweise in die Arbeitswelt eindringt. In Japan finden Pilotprojekte statt, in denen Roboter die Pflege der alten Menschen übernommen haben. Ja, sie übernehmen sogar die soziale Kontaktpflege. Supermärkte ohne Kassierer. Fabrikanlagen ohne Fabrikarbeiter. Krankenhäuser ohne Pflegepersonal. Computer, die für Unternehmen die Bewerbungen auswerten, ohne dass ein Personalentscheider zuvor die Bewerbungsmappe eingesehen hat. Alles in der Testphase oder bereits im Einsatz.
Die Leitfrage oben, was der Mensch mit der ganzen Zeit machen soll, weil er nicht mehr arbeiten muss, rückt in den Raum des Möglichen.
Ich weiß nicht, wie die Gesellschaft in 20, 30 Jahren aussehen wird und welche Konsequenzen die Robotisierung der Gesellschaft tatsächlich nach sich ziehen wird. Aber vier Sachen werden definitiv wichtig werden, wenn die Türken sich in der deutschen Gesellschaft des Jahres 2035 etablieren möchte: Bildung, Bildung, Bildung und Selbstorganisation!
Wir haben Schulen, Nachhilfezentren und Bildungsvereine. Das ist gut! Das Engagement auf diesem Gebiet muss zunehmen und professionalisiert werden. Aber – der jüngste Integrationsbericht der Bundesregierung führt vor, dass bei den Türken ein akademischer Abschluss nicht zwingend zu einer Verbesserung ihrer Lebenslage führt. Trotz höherer Ausbildung ist die Arbeitslosigkeit bei türkischen Akademikern drei Mal höher als bei deutschen Akademikern. Ein Tatbestand, auf den ich schon seit 2007 aufmerksam mache. Bildung alleine reicht also nicht. Mein Vater sagte zu mir ermahnend: „Jeder echte Mann hat ein Diplom. Aber nicht jeder Diplom-Besitzer ist ein echter Mann.“
Für die Zukunftsfähigkeit der türkischen Community muss sie daher die Fähigkeit zur Selbstorganisation besitzen. Damit ist die kollektive Fähigkeit gemeint, eigene Interessen zu ermitteln, zu organisieren und schließlich zu artikulieren. Im Übrigen – genau das soll mithilfe von endaX erreicht werden – einer klugen Methode und Computersoftware.