Partizipation: Politiker werden überflüssig

Der Berufsstand des Politikers wird in 20 Jahren aussterben. Dabei wird die Digitalisierung das Bürgertum neu emanzipieren. Die Demokratie wird dann demokratischer werden, so Kamuran Sezer.

Laut einer Studie der Oxford University wird davon ausgegangen, dass in 20 Jahren nahezu die Hälfte aller Berufe durch Roboter ersetzt werden können. Diese Entwicklung betrifft nicht nur solche Berufe, in denen der Mensch schwere Maschinen wie Züge oder LKWs bedienen muss.

Wahl ist die Ausstattung der Politiker mit Vollmachten und Privilegien

Es trifft auch solche Berufe, in denen Menschen mit Menschen umgehen und interagieren müssen. So gehen die Forscher der Oxford University davon aus, dass Callcenter in 20 Jahren vollständig automatisiert sein könnten.

In dieser Entwicklung wird die Zukunft eines Berufsstands nicht beachtet: der Politiker. Dabei existieren gegenwärtig einige interessante Entwicklungen, die die Frage aufwerfen, inwiefern in der Zukunft noch Politiker benötigt werden. Dieser Berufsstand hat dabei eine klar definierte Funktion.

Durch die Wahl werden Politiker durch das Volk mit Vollmachten und Privilegien ausgestattet, damit sie die Interessen der Wähler aber auch des Allgemeinwohls in Entscheidungsfindungsprozessen durchsetzen können. Der Politiker hat in diesem Rahmen eine mittelnde und vermittelnde Funktion.

Politikverdrossenheit existiert nicht

Angesichts der Digitalisierung stellt sich die Frage: Werden Politiker und Parlamente benötigt, wenn Bürgerinnen und Bürger dank Internettechnologien ihre Interessen selber artikulieren, durchsetzen und ausgleichen können?

Die Digitalisierung bietet bereits heute schon die technologische Plattform, um Bürgerinnen und Bürger stärker in die Entscheidungsfindungen einzubeziehen. Estland gilt als die höchstentwickelte digitale Gesellschaft, das zeigt, dass mithilfe des Internet Bürgerinnen und Bürger ganz anders beteiligt werden können. Doch das ist nur eine Entwicklung.

Seit einigen Jahren wird vermehrt beobachtet, dass die Menschen sich immer weniger für Politik interessieren. Lange Zeit wurde diese Entwicklung als Politikverdrossenheit missverstanden. Zunehmend stellt sich heraus, dass die Menschen “projektorientierter” in die Entscheidungen eingebunden werden wollen. Parteien, die sich öffnen und den Mitgliedern wie der Allgemeinheit neue Teilhabemöglichkeiten anbieten, haben in den vergangenen Jahren großen Zuspruch erlebt.

In 20 Jahren wird die Demokratie noch demokratischer werden

Darüber hinaus gibt es erste Modelle zur E-Demokratie bzw. zur kollaborativen Demokratie, die in der Praxis erprobt werden. Sie zeigen, dass Technologien, Verwaltung und Verfahren so ausgerichtet werden können, um die Bürgerinnen und Bürger stärker in politischen Entscheidungen einzubinden.

Meine Prognose: Die Ergebnisse der Oxford University können auch auf die Berufsgruppe der Politiker erweitert werden. In 20 Jahren werden dank der Digitalisierung neue Teilhabe-, Mitbestimmungs- und Artikulationsstrukturen entstehen. Sie werden Parlamente überflüssig machen oder diese zumindest auf ein Mindestmaß verkleinern.

Durch das Internet werden sich die Bürgerinnen und Bürger die Vollmachten zurückholen, die sie den Politikern verliehen haben. Die Demokratie heute wird in 20 Jahren noch stärker und besser ihren Auftrag erfüllen. Sie wird die Bürgerinnen und Bürger neu motivieren. Ebenso werden zusätzliche Innovationspotenziale mobilisiert.