Nicht nur Smartphones dominieren das Leben der Menschen. Die Digitalisierung beschleunigt Freizeit und Berufswelt. Eine Gegenbewegung wird immer größer. Bereits 2010 wurde ein Manifest mit 12 Punkten veröffentlicht.
Ihr Smartphone vibriert. Eines der großen Medienhäuser hat eine Eilmeldung über ein aktuelles Ereignis auf das Smartphone gepusht. Dabei entdecken Sie, dass Sie Mails erhalten haben, die Sie gleich nach den Facebook-Alerts lesen werden. Prompt kommt ein Anruf, durch den Sie sich wieder in Bewegung setzen werden. Eine dringende Angelegenheit lässt sich nicht mehr auf sich warten. Hoffentlich gibt es unterwegs schnelles Internet. Sie müssen noch an einer Präsentation arbeiten.
Doch das wird nicht einfach. In der WhatsApp-Gruppe, die Ihre Mutter gegründet hat, wird das nächste Familientreffen besprochen. Das kann dauern… Während dessen alarmiert der Tinder-Radar, dass in der Nähe ein potenzieller Partner sich befindet. Sie schauen sich neugierig um. Doch das Foto von Ihrem Chef auf dem Call-Screen erinnert Sie, dass Sie ja noch an der Präsentation arbeiten müssen.
Fast Food – Slow Food & Fast Media – Slow Media
Der Untersuchung einer internationalen Forschergruppe zufolge, schaut jeder Smartphone-Nutzer alle 12 Minuten auf sein Hightech-Endgerät. Ein Zustand, der hinweist, wie sehr Smartphones das Leben der Menschen dominieren. Apps, die helfen, mit dem Stress nicht nur im digitalen Alltag umzugehen und zwischendurch abzuschalten, findet man inzwischen auf nahezu jedem Smartphone. Doch das ist nicht alles… Zur digitalen Beschleunigung baut sich ein umfassender Gegentrend auf: Slow Media.
“Ebenso wie sich als Gegenreaktion auf das Fast Food ein Slow Food etabliert hat, gibt es bereits eine Gegenbewegung in Richtung Slow Media. Analog zur Fast Food oder zur Slow Travel Bewegung im Bereich der Touristik geht es nicht um Langsamkeit, sondern um einen reflektierten und bewussten Umgang mit Medien, der auf qualitativ hochwertigen Content und zum Teil auch auf eine ausgesprochen regionale bzw. lokale Ausrichtung setzt.”, fasst Heike Simmet, unsere Expertin für Digitales, diese Gegenbewegung zusammen.
Das Manifest
Das Slow Media-Institut hat bereits 2010 ein Manifest zur digitalen Entschleunigung verfasst, das immer mehr Kreise zieht. In 12 Punkten erklären die Autoren “Slow Media” und bieten zudem Handlungsempfehlungen.
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts haben sich die technologischen Grundlagen der Medienlandschaft tiefgreifend verändert. Nun wird es darum gehen, angemessene Reaktionen auf diese Medienrevolution zu entwickeln – sie politisch, kulturell und gesellschaftlich zu integrieren und konstruktiv zu nutzen. Das Konzept “Slow” ist ein wichtiger Schlüssel hierfür. Analog zu Slow Food geht es bei Slow Media nicht um schnelle Konsumierbarkeit, sondern um Aufmerksamkeit bei der Wahl der Zutaten und um Konzentration in der Zubereitung. Slow Media sind auch einladend und gastfreundlich. Sie teilen gerne.
- Slow Media sind und wirken nachhaltig
Sie zielen auf Nachwirkung, werden fair und umweltgerecht herstellt. Nutzer kommen gerne zu ihnen zurück.
- Slow Media fördern Monotasking
Sie laden die Nutzer ein, sich ihnen aufmerksam und konzentriert zu widmen. Nutzer vertiefen sich gerne in sie.
- Slow Media zielen auf PerfektionierungSie verstehen sich als lernenden Organismus, tauschen sich mit der Außenwelt aus und wollen sich kontinuierlich verbessern.
- Slow Media machen Qualität spürbarSie sind gut gemacht und ihre Nutzer suchen diese Qualität gezielt auf.
- Slow Media fördern ProsumentenProsumenten entscheiden bewusst, wie sie Medien rezipieren und produzieren und beteiligen sich aktiv.
- Slow Media sind diskursiv und dialogischSie suchen und ermöglichen das Gespräch, sprechen und hören zu.
- Slow Media sind soziale MedienSie aktivieren die Entstehung von offenen Deutungs- und Interessengemeinschaften.
- Slow Media nehmen ihre Nutzer ernstSie kommunizieren aufrecht, hierarchiefrei, freundschaftlich einvernehmlich und auf respektvolle Art kontrovers.
- Slow Media werden empfohlenSie rufen danach, zitiert, weitererzählt, verschenkt, geteilt und mitgeteilt zu werden.
- Slow Media sind zeitlosSie sind vielschichtig und können auch Jahre später immer wieder neu rezipiert werden.
- Slow Media sind auratischSie leben und strahlen eine Präsenz aus, die über das Material, auf dem sie dargereicht werden, hinausweist.
- Slow Media sind progressivSie bauen auf den Errungenschaften der Netzwerkgesellschaft auf und begegnen neuen Medienmöglichkeiten offen und interessiert.
- Slow Media zielen auf Verantwortung bei Rezeption und ProduktionSie fördern einen mündigen Umgang mit Medien und suchen die Kontexte hinter den Informationen.
- Slow Media werben um Vertrauen und nehmen sich Zeit, glaubwürdig zu sein. Hinter Slow Media stehen echte Menschen. Und das merkt man auch.
Stockdorf und Bonn, im Jahr 2010
Benedikt Köhler
Jörg Blumtritt
Sabria David