Kamuran Sezer ist Gründer des futureorg Instituts für angewandte Zukunfts- und Organisationsforschung. Neben forgsight.com schreibt er auch für DTJ Online, Zaman Avrupa und Tagesspiegel. Ihn stört es, dass in unserer Gesellschaft das Geld die Menschen beherrscht. Er fordert die Menschen dazu auf, diese Aufgabe in die Hand zu nehmen. Wir haben das Geld zu kontrollieren und nicht umgekehrt!
-von forgsight
1. Seien wir mutig und blicken in die Zukunft: Es ist der 31. Dezember 2037. Wie werden Sie Sylvester feiern?
Am liebsten in einer sehr großen Runde mit meiner Familie. Alle sollen ihre Kinder und Enkelkinder mitbringen, die wiederum ihre Partner mitbringen. Es soll ein großes Familienfest mit viel Essen, vielen Gesprächen und jede Menge Spielen werden. Wer will, der zockt Computer. Wer will, sitzt in der Küche und tratscht. Wer will, sitzt im Garten und genießt die Kühle der Nacht.
2. Software, die mit dem Menschen denken. Searchbots im Internet. Roboterarme in der Industrie. Roboter bald auch in der Pflege, im Klassenzimmer und an der Kasse. Es gibt Leute, die sagen, dass wir Menschen in der Zukunft mit Robotern leben werden. Wie soll Ihr persönlicher Roboter in der Zukunft aussehen?
Mein persönlicher Roboter muss nur eins können: ruhig sein. Ich kann mir vorstellen, dass ein Roboter im Haus ein nützliches Gerät ist und den Alltag erleichtern kann. Aber mir ist Ruhe wichtiger als die Dienste, die ein Roboter erbringen könnte. Wenn ich also einen Roboter im Haus haben wollen sollte, dann sollte er diese wichtige Eigenschaft unbedingt mitbringen.
3. Altkanzler Helmut Schmidt sagte mal, wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen. Welche Vision von der Zukunft würden Sie Ihrem Arzt erzählen?
Von einer Zukunft, in der die Gleichmacherei zur Ordnung alter Gesellschaften gehört. Von einer Zukunft, in der Menschen befreit sind vom Zwang, etwas sein zu müssen statt sein zu dürfen. Von einer Zukunft, in der wir die Worte Herbert Grönemeyers mehr beherzigen, der da mal sang:
Und der Mensch heißt Mensch
Weil er irrt und weil er kämpft
Und weil er hofft und liebt
Und weil er mitfühlt und vergibt
Und weil er lacht
Und weil er lebt
Du fehlst
4. Hand auf’s Herz. Was stinkt Ihnen an der Gegenwart?
Das Geld. Ich finde, dass das Geld stinkt, besser gesagt: das Geld lässt die Gegenwart stinken.
Der Soziologe Georg Simmel hat zur Philosophie des Geldes eine bedeutende Abhandlung verfasst, in der er erkannt hat, dass das Geld zu einem Medium wird, über das sich die Menschen ausdrücken und miteinander kommunizieren. Das Geld ersetzt das Wort und die Beziehung.
Oh, ich bitte Sie, mich nicht falsch zu verstehen. Ich bin durch und durch ein Anhänger des Kapitalismus’. Sogar ein Radikaler. Der Kapitalismus ist nämlich ein Ordnungschaffender sozialer Mechanismus, der die Innovationkraft der Menschen freisetzt und ihn auch frei machen kann. Und das ganz besonders in Verbindung mit der Demokratie. Aber eben nur solange, wie die Menschen selbst das Geld beherrschen und nicht das Geld die Menschen. Aufgrund dieser Perversion des Monetarismus blicken wir auf die Ruinen der Finanzkrise, die die Welt aus den Angeln gehoben hat. Es ist das Geld, was die Gegenwart stinken lässt. Es zu kontrollieren, wird unsere Aufgabe sein.
5. Warum wäre es denn wirklich schlimm, wenn der technologische Fortschritt die Menschen verdrängt?
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in uns eine Seele ruht. Die Seele muss von irgendwoher kommen und muss irgendwohin gehen. Und weil uns das Vorher und das Nachher unbekannt bleiben, muss es etwas geben, das größer ist, als unser Verstand es sich vorstellen könnten. Wenn der technologische Fortschritt die Menschen verdrängt, verdrängen wir also diese Mystik, die uns Kraft gibt, Großartiges zu leisten. Nein, der technologische Fortschritt darf nicht den Menschen verdrängen.
6. Es ist 1. Januar 2042. Wie verlaufen die Grenzen Europas?
Das ist mir egal.
Hauptsache Europa wird wieder ein glaubwürdiger Leuchtturm für den Rest der Welt, der Demokratie und Rechtsstaat, Freiheit und Menschenwürde in alle Himmelsrichtungen strahlt.
7. Unsere Leserinnen und Leser sind sehr auf die Antwort dieser Frage gespannt: Wie machen Sie sich fit für die Zukunft?
Mut haben und sich seines eigenen Verstandes bedienen. Dazu Liebe geben und Liebe empfangen können.
Mehr Wissen?
Weitere Informationen über Kamuran Sezer finden Sie auf seiner Website unter www.kamuran-sezer.com.