Banken müssen sich neu erfinden

In der nahen Zukunft werden Banken eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie die Musikindustrie oder der Buchmarkt. Die Banken heute müssen sich neu erfinden. (Foto: Thomas Wolf)

Spätestens seit der Finanzkrise 2007/08 wird heftig über die Zukunft der Banken gesprochen. Angestoßen durch diese Krise steht im Mittelpunkt der Debatte die gesellschaftliche Relevanz und soziale Verantwortung von Banken. Dabei möchte ich anführen, zumindest bei deutschen Banken wird diese Debatte lange vor der Finanzkrise geführt. Die Banken stehen nämlich unter großen, sehr großen Druck. Eine Reihe von Veränderungen zwingen sie, sich selbst zu hinterfragen.

Brauchen wir die Bank heute überhaupt noch?

Ja, die Kundenbedürfnisse haben sich verändert. Und die Internettechnologien und die damit verbundene Digitalisierung verändern die Geschäftsmodelle der Banken. Der Fachkräftemangel und die demografische Entwicklung machen auch vor diesen Institutionen keinen Halt. Die dauernde Niedrigzins, die sehr wahrscheinlich in den kommenden Jahren anhalten wird, verringert die Erträge, so dass die personal-, technik- und wissenintensive Infrastruktur einer Bank immer schwierig wird zu finanzieren.

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse & Coopers oder die Initiative Q110 der Deutsche Bank, um nur einige Beispiele hervorzuheben,  forschen, analysieren und modellieren daher, wie die Bank der Zukunft aussehen müsste, damit sie auch morgen gute Umsatzentwicklungen vorweisen kann.

Ich möchte an dieser Stelle eine grundsätzliche Frage stellen: Wird eine Bank heute überhaupt noch gebraucht?

Banken müssen sich neu erfinden, können aber von der Musikindustrie lernen

Diese Veränderungsgründe, die oben genannt sind, gelten auch für die anderen Wirtschaftszweige. Die Buchhandlungen beispielsweise. Amazon.com hat den gesamten Buchmarkt auf den Kopf gestellt. Heute gibt es zwar immer noch Buchhandlungen in den deutschen Innenstädten. Allerdings alle bieten, besser gesagt, alle sind gezwungen, digitale Bücher anzubieten, wenn sie überleben müssen. Oder die Musikindustrie.

Zunächst hat ein New Economy-Unternehmen namens “Napster” gegen die übermächtige Musikindustrie rebelliert. Später haben Online-Musicstores von Apple-ITunes oder Play Music von Google sowie Internetradio-Anbieter und Streamdienste die Musikindustrie revolutioniert. Der Verkauf von Musik-CDs läuft nicht mehr über eigenständige Shops sondern ist Teil von großen Warenhäusern.

Alle Beispiele stehen unter demselben Veränderungsdruck wie die Banken. Manche waren früher, andere später von diesem Druck betroffen. Wenn wir die Frage beantworten wollen, ob wir die Banken noch brauchen, dann können diese Beispiele aus den anderen Wirtschaftszweigen wichtige Hinweise liefern:

Start-Ups setzen Banken unter Druck

Im Falle der Musikindustrie sind ganze Läden und Ladenketten vom Markt verschwunden. Das Internet ist der dominierende Vertriebskanal. Nur noch die großen Buchhandlungen betreiben einen Laden, aber sie haben ihr Warensortiment erweitert, damit Kunden überhaupt den Weg in die Läden finden können. Der eigentliche harte Wettbewerb tobt im Online-Handel. Zeitungen und Medien sind auf technische Infrastruktur angewiesen. Man benötigt Redaktionsräume aber noch viel mehr benötigen sie Studios und aufwendige Technik. Aber auch dort halten mobile Technologien Einzug, so dass die Geschäftsmodelle von Zeitungen sich immer mehr in das Internet verlagert.

Die Bank der Zukunft wird sich in diesem Spektrum der Möglichkeiten bewegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Filialen, die nur beraten und Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, auf Dauer geschlossen bzw. an einer zentralen Adresse in einer Stadt oder Region konzentriert werden. Beratungen können nämlich sehr gut auch über Telefon und das Internet abgewickelt werden. Für Geldabhebungen werden unbemannte Service-Räume über die Stadt oder Region verteilt sein.

Genau wie auf dem Buch- und Musikmarkt geschehen, treten im Bereich der Bankengeschäfte immer mehr Start-Ups auf. Ein Trend ist Crowdfunding. Unternehmen, Vereine oder Privatpersonen können über eine Online-Plattform ihre Ideen, Initiativen oder Produkte vorstellen. Menschen, die das toll finden, geben eine Spende. Dafür bekommen sie ein kleines Geschenk und sind sich gewiss, dass sie etwas Gutes tun. Inzwischen können nach demselben Prinzip Privatleute ihr Geld für Unternehmen oder Privatpersonen verleihen. Auch das läuft über eine Online-Plattform ab. So verdienen Privatanleger mehr als auf der Börse oder durch die Zinsen ihres Sparkontos. Eine ähnliche Idee gab es bereits 2007, also noch vor der großen Krise. Sie wurden Bürgerbanken genannt.

Keine Erträge durch Geldverleih mehr – aber was dann?

Und wenn die Zinsen eh so niedrig sind und für eine lange Zeit auch niedrig bleiben werden, machen Banken sich Gedanken über “Islamic Finance”, in der es keine Zinserträge gibt. Vor kurzem hat in Deutschland erstmals eine Islamische Bank eine Lizenz von der Bankaufsichtsbehörde erhalten.

Keine Frage, Banken sind systemrelevant. Sie sind wichtig, um eine dynamische Wirtschaft am Laufen zu halten. Allerdings haben sich die sozialen, ökonomischen, personalen und technischen Rahmenbedingungen verändert, so dass das klassische Geschäftsmodell der Banken, nämlich Geldverleih, auf Dauer nicht mehr funktionieren wird. Die Banken müssen sich neu erfinden. Die Transformationshistorie anderer Wirtschaftszweige könnte ein Vorbild sein.