Neun europäische Experten warnen: das digitale Zeitalter bedroht Demokratie und Freiheit der Menschen. Sie stellen zehn Forderungen, um eine “vorprogrammierte Katastrophe” abzuwenden. (Foto: cykocurt/Flickr)
“Alles wird intelligent: Bald haben wir nicht nur Smartphones, sondern auch Smart Homes, Smart Factories und Smart Cities. Erwarten uns am Ende der Entwicklung Smart Nations und ein smarter Planet?”, fragen sich neun Experten für das digitale Zeitalter und veröffentlichen ein Manifest, das warnen und zugleich Chancen aufzeigen will.
Die Menge an Daten, die die Menschen produzieren verdoppelt sich. Zum ersten Mal in der Geschichte erreicht die Wissensproduktion einen historischen Höhepunkt. 2015 wurden so viel Daten veröffentlicht, wie in der gesamten Menschheitsgeschichte bis 2014 produziert wurden.
Dringende gesellschaftspolitische Fragen
Suchanfragen und -ergebnisse, Produktvergleiche, kontroverse Diskussionen in den sozialen Netzwerken, Standortabfrage, Navigation, Daten über Kauf-, Nutz- und Informationsverhalten, Clouddienste u.v.m. weisen hin, dass die bisherige Entwicklung nicht abflachen wird. Mehr noch: Big Data, Künstliche Intelligenz und die damit verbundene weitere Automatisierung der webbasierten Datenlogistik werfen dringende gesellschaftspolitische Fragen auf.
“Algorithmen können nun Schrift, Sprache und Muster fast so gut erkennen wie Menschen und viele Aufgaben sogar besser lösen. Sie beginnen, Inhalte von Fotos und Videos zu beschreiben. Schon jetzt werden 70 Prozent aller Finanztransaktionen von Algorithmen gesteuert und digitale Zeitungsnews zum Teil automatisch erzeugt.”, weisen die neun Experten hin und fragen, ob die Menschheit auf eine “vorprogrammierte Katastrophe” zusteuert.
Denn die Maschine, die man elektrisch und mechanisch mit Hebeln und Knöpfen bedient, gibt es im digitalen Zeitalter nicht. Sie arbeitet im Hintergrund, analysiert Großteils autonom, generiert dafür noch mehr Daten, um Entscheidungsverhalten von Menschen und Gruppen besser einschätzen zu können. Entsprechend groß ist das Bedenken der Verfasser des Manifest.
Die von gesteuerte Gesellschaft
Was geschieht mit der Autonomie, Souveränität und Freiheit der Menschen im digitalen Zeitalter? Wenn Algorithmen immer mehr Entscheidungen abnehmen, wie weit sind demokratische Entscheidungsfindungen und Aushandlungen noch möglich? Welche Rolle spielt der Staat dabei ein, der durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung ein technokratisches System aufbauen könnte?
“Die von oben gesteuerte Gesellschaft, die unter dem Banner des „sanften Paternalismus“ daherkommt, ist daher im Prinzip nichts anderes als ein totalitäres Regime mit rosarotem Anstrich.”, warnen die Experten, die ihr Manifest mit zehn Forderungen abschließen. Darunter fordern sie:
die Funktion von Informationssystemen stärker zu dezentralisieren; informationelle Selbstbestimmung und Partizipation zu unterstützen; gesellschaftliche und ökonomische Vielfalt zu fördern; die Mündigkeit der Bürger in der digitalen Welt zu fördern
Das gesamte Manifest kann hier gelesen werden. Es macht darauf aufmerksam, dass das Internet die Grenzen der ökonomischen Nutzstiftung und rationalen Effizienzmaximierung überwunden hat und nun den Platz der Menschen in der Gesellschaft hinterfragt. Eine Debatte steht uns bevor…