Brexit, Griechenland-Krise, Krim-Krise, Flüchtlingskrise – und jetzt auch noch Türkei-Krise. War die Europäische Union bis 2006 ein Zukunftsmodell, ist sie heute mit gewachsenen Unsicherheiten konfrontiert. Hat die EU noch Zukunft oder ist sie ein Auslaufmodell. Das Dahrendorf Forum bietet 18 Szenarien.
Die höchste Lebensqualität, die besten Bildungsstandards, die stärksten Volkswirtschaften sind in der Europäischen Union versammelt. Kein Wunder also, dass die EU ein Erfolgsmodell ist, das wie ein gewaltiger Leuchtturm über den Globus leuchtet. Staaten in anderen Regionen der Welt bemühen sich, nach dem Vorbild der EU in einer supranationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten.
Nach 2006 nahm die Erfolgsgeschichte ein abruptes Ende. Die globale Finanzkrise, die viele Mitglieder der EU hart getroffen und sie bis zum Staatsbankrott getrieben hat, war ein genauso starker Rückschlag wie die Krisen mit Russland, das das Kräftemessen mit der EU in Osteuropa sucht. Der arabische Frühling, das Aufkommen des Islamischen Staats, die Flüchtlingsströme, die umstrittenen Verhandlungen mit den USA und Kanada um das Freihandelsabkommen TTIP sind weitere Rückschläge.
Es ist Zeit, ein Paar Fragen zu stellen
Doch damit ist die EU lange noch nicht am Ende der Krisen. Die rechtspopulistischen Parteien, die in nahezu allen EU-Staaten erstarken, bremsen die EU in ihrer weiteren Entwicklung ab. Zu was sie in der Lage sind, haben die Rechtspopulisten in Großbritannien bewiesen: den Austritt Großbritanniens aus der EU-Gemeinschaft. Jetzt kommt noch eine weitere Krise hinzu, deren Folgen für die EU noch nicht ganz absehbar sind: die Türkei, die im Zuge der Systemtransformation unter ihres Staatspräsidenten Erdoğan sich weiter von der EU weg bewegt.
Es ist also Zeit, innezuhalten und sich ein Paar Fragen zu stellen: Wohin steuert die EU? Und wo ist ihr Platz in der Welt? Welche Entwicklungsmöglichkeiten hat sie und sollte sie haben wollen? Mit den Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten der EU beschäftigt sich das Dahrendorf Forum.
Es ist eine gemeinsame Initiative der Hertie School of Governance, London School of Economics and Political Science und der Mercator Stiftung. Das Forum will Expertenwissen in öffentliche Debatten einbringen, um einen Zukunftsdiskurs über die EU anzustoßen. Dazu hat das Forum einen umfassenden Foresight-Prozess eröffnet, um die Zukunftsperspektiven des europäischen Kontinents zu eröffnen.
Frühwarnsystem und Langfrist-Strategie
In “European Union in the World 2025” haben an fünf Gruppen 72 Expertinnen und Experten aus ganz Europa teilgenommen. Nicht nur Wissenschaftler auch Praktiker aus Parlamenten, der Zivilgesellschaft und transatlantischen Institutionen wie die NATO teilgenommen. Zu den Teilnehmern gehörte auch Dr. Ali Fathollah-Nejad, der im Rahmen seiner Promotion als Gast-Analyst am futureorg Institut aufhielt und heute für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik tätig ist.
Die Ergebnisse der Foresight-Sitzungen wurden nun in 18 Szenarien zusammengefasst. Die Autoren beschreiben die Treiber und Trends, die die Beziehungen der EU zu ihren Nachbarn und strategischen Partnern beeinflussen, um hierauf Handlungsmöglichkeiten, Prognosen und Entwicklungsszenarien zu formulieren. Hieraus wurden fünf Konsequenzen für die EU formuliert. Aufgrund der gestiegenen Komplexität und Unberechenbarkeit sozialer, politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen müsse die EU Frühwarnsysteme entwickeln und Kompetenzen für Langfrist-Strategien und -Planungen aufbauen.
Denn die gewachsenen Unsicherheiten heute zeigen auf, dass morgen die Unsicherheiten zunehmen könnten – sogar Unerwartetes passieren kann.