Liberalismus: Eine Idee reformiert sich – am Bespiel der FDP

Nicola Beer, Generalsekretärin der FDP, besuchte die Dortmunder Liberalen und hielt einen Vortrag über die Zukunft der Demokratie. Dabei eröffneten sich Einblicke in den Strukturwandel der FDP.  

Die Demokratie verändert sich. Das ist ein Thema, dem sich forgsight.com von Beginn an gewidmet hat. Umso größer war meine Neugier auf die Rede von Nicola Beer. Ihres Zeichens ist sie Bundesgeneralsekretärin der FDP. Auf Einladung der FDP in Dortmund hat sie über die Zukunft der Demokratie referiert.

Sinkende Wahlbeteiligung keine Politikverdrossenheit sondern Wunsch nach projektorientierte Einbindung

In Ihrem Vortrag ging es um Bürgerbeteiligung, Stuttgart 21, Bürgerdialog, Volksinitiativen, also grundsätzlich um Instrumente und Maßnahmen, die helfen, dass Bürgerinnen und Bürger sich in Entscheidungen einbringen können. Nicola Beer hat richtigerweise darauf verwiesen, dass die sinkende Wahlbeteiligung keine Politikverdrossenheit der Menschen ist. Vielmehr stellt sie fest, dass Bürgerinnen und Bürger “projektorientiert” in Entscheidungsprozesse eingebunden werden möchten.

Die Zeiten, in denen die Menschen zwischen “Das will ich haben.” und “Das will ich nicht haben.” entscheiden mussten und entscheiden wollten, sei endgültig vorbei. Vielmehr erwarten die Menschen “Transparenz”. Beer forderte, dass Bürgerbeteiligung am Anfang eines Prozesses stehen und nicht nur diejenigen beteiligen sollte, die unmittelbar betroffen sind.

Wie weit ist die FDP selbst in der Bürgerbeteiligung?

“Aber wo liegen die Grenzen der Bürgerbeteiligung?”, fragte Beer in Richtung des Publikums, um die Frage selbst zu beantworten. Von “Balance” spricht sie und meint damit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mitteln der repräsentativen Demokratie und Basisdemokratie.

Die Theorie hört sich immer gut an, denke ich und frage mich, was davon die FDP in der Partei bisher selbst umgesetzt hat. Schließlich muss sich die Partei nach dem Rausschmiss aus dem Bundestag neu erfinden. Die Diskussion im Anschluss des Gesprächs zeigte, dass ich mit meiner kritischen Haltung nicht alleine war. Schnell kamen die Mitglieder auf die aktuelle Situation der Partei zu sprechen.

“Geile” Stimmung aber keine Inhalte?

Zunächst berichtete ein älteres Mitglied von seinen Erlebnissen aus Bremen. Gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedern aus NRW sind sie nach Bremen gefahren, um der Bremer FDP im Straßenwahlkampf zu unterstützen. Er berichtete von der Stimmung, die “geil” war. Das Publikum schmunzelte. Es wurde allerdings kritisiert, dass eine “gute Stimmung” alleine nicht ausreicht. Es fehlen die Inhalte.

Das breite Lächeln Nicola Beers verschwand nicht aber versteifte sich sehr. Ihre Blicke wurden ernst und fokussiert ohne ihre Gutmütigkeit zu verlieren. So also sieht es aus, wenn eine Frau als Generälin die Partei dirigiert und diszipliniert, schießt es mir durch den Kopf.

Auf den Vorwurf, es fehle der Partei an Inhalten, erinnerte sie an die jüngsten Initiativen rund um Vorratsdatenspeicherung, den Reform der Geheimdienste oder gegen die Bürokratisierung durch die große Koalition. Sie verwies aber auch auf das Leitbild, das umgehend kritisiert wurde, wonach es substanzlos sein soll.

Leitbild ist eine Methode

Nicola Beer stützt ihre Ellenbogen auf den Tisch, um konzentrierte Gestik mit ihren Händen machen zu können, die ihre Argumente unterstreichen sollten. Das Leitbild sei eine Methode. Statt Umwelt-, Verkehrs-, Bildungs- oder andere Themen vorzugeben, so Beer, liefert das Leitbild einen “Rahmen” und repräsentiere eine “Haltung” oder eine “Einstellung”.

Ihre Hände deuteten ein Quadrat an, die sie danach so faltete, als ob ich sie gleich beten würde. Manchmal öffnete sie ihre Hand, spreizte die Finger ganz weit. In einer anderen Situation nahm sie eine defensive Gestik an, aus der ab und an ein ermahnender Zeigefinger wurde, den sie auf die Mitglieder richtete.

“Wenn wir von Bildung sprechen,” so Beer mit dem Zeigefinger in der Luft, “dann sind die Mitglieder gefordert, diese Vorgabe mit politischen Inhalten aus der Politik vor Ort auszufüllen.” Ob Inklusion, Einheitsschule, Verkürzung der gymnasialen Oberstufe – Bildungspolitik kann sich von Bundesland zu Bundesland, von Kommune zu Kommune unterscheiden. Ich denke “Intelligent!” und spüre, dass ich mit dieser Meinung nicht alleine bin.

Strukturwandel der FDP ist nicht optimal – aber der Anfang ist gemeistert

Doch richtig still wurde es, wenn Nicola Beer auf Ereignisse in Vorstandssitzungen hindeutete. Nicht alle im Führungskader waren vom Strukturwandel in der Partei begeistert. Denn die Partei entwickelt sich langsam aber sicher in Richtung einer Mitmach-Partei. Der Strukturwandel sei noch nicht optimal, führt Beer selbstkritisch an, aber laufe zunehmend besser.

Die Parteiarbeit wurde für Nicht-Mitglieder geöffnet. In den Fachausschüssen nehmen nicht nur interessierte Mitglieder ohne Amt und Funktion teil, es würden auch immer mehr externe Experten auch immer stärker eingebunden. Die Fachausschüsse sollen interne “Think Tanks” werden, die zur Selbstorganisation von Ideen und Gruppen beitragen sollen. Aber, der Finger der Generälin streckt sich wieder in die Luft, sie erwarte auch Ergebnisse.

Nach dem Wahlerfolg in Hamburg spürt man den Aufwind in der Partei. Die nächste Etappe, an der sie gemessen wird, steht morgen schon an, wenn in Bremen gewählt wird. Die Stimmung ist optimistisch aber keinesfalls realitätsfern. Die Mitglieder, besonders die Altgedienten, scheinen sich bewusst zu sein: Es ist noch ein langer Weg für die Erneuerung der Partei. Aber der Anfang ist erfolgreich gemacht.