Kreativität: Über Egomanen, Isolation und Staatsgeheimnisse

Unter welchen Bedingungen entsteht Kreativität? Mit dieser Frage hat sich der weltberühmte Science Fiction-Autor Isaac Asimov vor Jahrzehnten in einem Essay auseinandergesetzt, das erst vor kurzem entdeckt wurde.

Ist es möglich, sich Kreativität anzueignen? Kann man Kreativität mit einem Knopfdruck beliebig oft abrufen? Oder ist die kreative Idee da, wenn sie eben da ist? Durch einen Zufall entdeckte Arthur Obermayer, ein Freund des weltberühmten Science-Fiction-Schriftstellers und Biochemikers Isaac Asimov eine verschollene Abhandlung von ihm über Kreativität.

Eine anregende Abhandlung über Kreativität

Isaac Asimov wird 1959 zum kreativen Berater der US-Regierung berufen, um Konzepte für ein Raketenabwehrsystem zu entwickeln. Es wurde nämlich beschlossen, dass in die Kommission unabhängige Experten und Querdenker eingeladen werden, damit sie neue Ideen einbringen können. Nach einigen Sitzungen entscheidet Asimov sich jedoch gegen die Fortsetzung dieser Beratertätigkeit. Staatsgeheimnisse würden ihn in seiner Freiheit einschränken, sich auszudrücken, so Asimov. Diese sei aber eine Voraussetzung für Kreativität. In dieser kürzlich wieder entdeckten Abhandlung nennt er weitere Gründe für seine Entscheidung gegen eine Mitwirkung in der Kommission, aus der eine anregende Abhandlung über Kreativität wurde.

Asimov definiert die Kreativität als ein Prozess, der keine Exklusivität besitzt. Kreativität sei im „Wesentlichen“ und in „allen Bereichen“ derselbe. Nach Asimov schöpften in der Vergangenheit alle Wissenschaftler oder Erfinder vom selben Erfahrungsrepertoire. Der Ursprung der Kreativität jeglicher Richtung lässt sich auf bestimmte Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse festmachen. Wenn Menschen dann dieselben Gemeinsamkeiten besitzen, dann kämen sie auch unabhängig voneinander auf dieselbe Idee, so Asimov. Die Kreativität ist also eine Symbiose der Erfahrungen und der Erlebnisse im Leben, die mit der wichtigsten Fähigkeit verbunden ist, Ideen und Wissen miteinander zu verbinden. Asimov spricht dabei über „ability to make a cross-connection“.

Kreativität in der Gruppe oder Isolation?

Nun könnte man meinen, dass Asimov es gut findet, wenn mehrere Menschen zusammenkommen, um kreative Lösungen für ein Problem zu finden, wie beispielsweise in einer Kommission. Gemeinsam könnten sie ja kreativer sein als ein einzelner. Sie wollen auf diese Weise bewusst einen Prozess der Kreativität einleiten. Das zumindest ist die Absicht. Andere hingegen sind fest überzeugt, die besten Ideen kämen einem in den Sinn, wenn man alleine ist. Asimov ist auch von dieser Sicht der Kreativität nicht abgeneigt.

Gruppen könnten nämlich Menschen hemmen, auf eine gute Idee zu kommen. Isolation, so Asimov, sei eine Voraussetzung für kreative Menschen. Denn Brainstorming in der Gruppe kann auch eine Hemmnis für den kreativen Prozess sein: Dort führen viele die eigene Idee an, ohne dass eine “cross-connection” stattfindet. Konflikte und Frustrationen sind nicht auszuschließen. Individualisten, die sich und ihre Ideen prominent präsentieren, überschatten womöglich andere Ideenträger und rauben ihnen durch lange Vorträge Zeit und Raum. Und vielleicht reden andere Teilnehmer auch nur, weil man genau das von ihnen in einer Gruppensitzung erwartet. Welchen Wert kann dann die Idee eines solchen Teilnehmers dann haben!?

„cerebration session“ zwischen Isolation und Gruppen

Asimov ist aber mit beiden Zugängen zur Kreativität nicht einverstanden. In Isolation können kreative Ideen entstehen, müssen und werden sie wahrscheinlich nicht. In Gruppen können kreative Idee gehemmt oder durch dominante Persönlichkeiten überformt werden. Isaac Asimov schlägt einen dritten Weg vor: ein gemütliches Abendessen mit Freunden.

Asimovs Vorstellung einer „cerebration session“, wie er es nennt, gleicht einem Brainstorming in der Gruppe und ist trotzdem nicht verkrampft und gehemmt bei der Ideenfindung. Er schlägt sogar vor, einen Gesprächsleiter zu benennen, damit kein Tisch- und Gesprächsteilnehmer vernachlässigt wird. Hierfür gibt er das Beispiel des Psychotherapeuten vor, der den Patienten leitet, damit er seine eigenen Gedanken anderen mitteilt.

Ganz wichtig – die Teilnehmer sollten über die Gesprächsergebnisse und Ideen Berichte schreiben. Und dafür sollen sie bezahlt werden statt für die Teilnahme an einer Sitzung in der Regierungskommission.