Bundesbürger sehen Einwanderung gelassen

Wieder demonstrierten in Dresden mehrere Tausend gegen die ihrer Auffassung nach „Islamisierung des Abendlandes“. Getrieben von Agitation und Populismus repräsentieren sie eine krude neue Subkultur, die sich zu einer braunen Suppe vereint. Dass der Großteil der Bevölkerung Migranten relativ gelassen gegenübersteht, hat nun die von der Bosch-Stiftung in Auftrag gegebene Allensbach-Studie gezeigt.

– von forgsight

Wenn es nach den Demonstranten der Pegida in Sachsen geht, gehen wir bald an Weihnachten in die Moschee, wenn wir das christliche Fest dann überhaupt noch feiern dürfen. Außerdem machen ihrer Ansicht nach Menschen mit Migrationshintergrund 90% der Bevölkerung aus. Rechtsoffene Parteien beklagen, dass Deutschland zum Sozialamt der Welt verkommt. All das unter dem Deckmantel von „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen…“.

Durch den Bürgerkrieg in Syrien und die Flüchtlingswelle machen jetzt erst für viele sichtbar, was bereits seit Jahren der Fall ist: Seit 2011 sind die Zahlen von Einwanderung in der Bundesrepublik sukzessiv angestiegen. 2013 waren es knapp 429.000. Nahmen in dem Jahr noch 45 Prozent der Bevölkerung einen Anstieg der Zuwanderung wahr, waren es dieses Jahr bereits 72 Prozent. Zudem hat sich die Einschätzung über die Herkunft der Migranten verändert.

Waren es früher noch Menschen aus der Türkei, Russland oder Polen, seien es nun vor allem Einwanderer aus dem Nahen Osten, Afrika, Bulgarien und Rumänien. Davon sind 86 Prozent der Befragten überzeugt, so die Allenbach-Studie. Zwei Drittel der Befragten rechnen dabei mit einem weiterhin erhöhten Anstieg der Migration, aufgrund der prekären Situationen in den Herkunftsländern.

Bemerkenswert an dieser Stelle ist nun allerdings, dass der Großteil der Bundesbürger Einwanderung nicht kritisch sieht. Knapp 50 Prozent sehen sie als äußerst wichtig für die Wirtschaft an. Die These, dass Einwanderung angesichts der Arbeitslosenzahlen unnötig sei geht seit Jahren zurück. Nur noch 28 Prozent der Deutschen teilen diese Ansicht noch. Überhaupt keine Asylbewerber ins Land zu lassen, finden nur 18 Prozent der Befragten.

Allgemein seinen Ressentiments gegenüber Zuwanderern gesunken in den letzten Jahren. Noch Anfang der 2000er unterstützen 61 Prozent die These, dass Deutschland keine Einwanderer mehr benötige.

Die reine Anzahl an Asylgesuchen 2014 betrug 180.000. Das ist im Vergleich anderen Staaten relativ wenig. Selbst die Niederlande nehmen mehr Asylsuchende auf. Allein 1992 gab es rund 440.000 Asylgesuche. Dennoch plädiert ein Großteil für eine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Europäischen Union. Nur jeder Dritte Befragte hat den Eindruck, dass seine Kommune den Herausforderungen der Unterbringung und Verpflegung der Asylbewerber nicht gewachsen sei.

Der Trend gehe sogar zurück. Noch Anfang der 1990er Jahre mit Schreckensbildern von Brennenden Asylantenheimen in Solingen, Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen, konnten sich bundesweit 37 Prozent der Befragten vorstellen an einer Bürgerinitiative gegen die Errichtung von Asylantenheimen teilzunehmen. Sowohl in West, aber auch in Ostdeutschland, sei diese Zahl zurückgegangen. In den neuen Bundesländern beträgt die Quote „nur“ noch 24 Prozent.

Im Gegenteil, 87 Prozent der Befragten und somit die deutliche Mehrheit plädierten für eine Aufnahme von Flüchtlingen, wenn sie ihr Heimatland im Zuge einer kriegerischen Auseinandersetzung verlassen müssen. Weitere Gründe, wo Befragte Verständnis äußerten für Flucht, seien Verfolgung aus politischen Gründen (77 Prozent), Verfolgung aus religiösen Gründen (65 %), Hungersnot (65%) oder einer Naturkatastrophe (53%). Allerdings bewerteten nur 54% eine wirtschaftliche Notlage als hinreichendes Kriterium zum Verlassen der Heimat. Gerademal 56% aller Befragten sahen das Bedürfnis die Familie im Heimatland zu unterstützten als triftigen Grund an.

Der Großteil der Befragten halte das Thema für wichtig und verfolgten es regelmäßig in den Medien. Viele Befragte sähen auch die gegenwärtige Gesetzeslage kritisch, die Asylanten in der Bundesrepublik einerseits weniger Geld zukommen lässt, als einem Hartz 4-Empfänger und die Bewerber erst nach einer Zeit von drei Monaten einen Einstieg ins Berufsleben ermögliche.

Ein weiteres bestimmendes Thema in den Medien und unter anderem Auslöser für den Flüchtlingsstrom, sei für viele Befragten die Terrororganisation „Islamischer Staat“, deren Handeln knapp 84% als Gefahr sehen. Für die Bundesrepublik sehen knapp 65% eine Bedrohung, die von radikalen Islamisten ausgeht. Dabei seien die Zahlen so hoch, wie seit den Anschlägen von 9/11.

Besorgniserregend ist laut der Studie, dass diese radikalen Ströme der Religionsgemeinschaft das öffentliche Bild der Religion prägen würden. Einerseits assoziierten viele die Religion mit negativen Merkmalen, wie Gewalt, Intoleranz oder Unterdrückung, andererseits ordnen auch 80% ihre Kenntnisse über die islamische Religion und Kultur als „gering“ ein. Rund ein Drittel der Befragten gaben an, Muslime im Freundeskreis zu haben. Dabei variieren die Zahlen sowohl regional, als auch von den Altersgruppen her. Während im Westen jeder vierte Befragte einen Muslimen im engeren Freundeskreis hat, seien es in den neuen Bundesländern gerade einmal jeder 13., was auch an der Anzahl der Muslime in den Regionen liegt. Von denjenigen, die jünger als 30 sind, kennen 44% einen, während bei denen, die älter als 60 sind, nur 20% sind.

Auffallend dabei sei, dass die Ressentiments gegen Muslime geringer sind bei denen, die behaupten eine oder einen Muslima bzw. Muslim im näheren Bekanntenkreis zu haben. Von der These, dass der Islam zu Deutschland gehöre, distanziere sich aber der größte Teil der Befragten.(FAZ/ Zeit/ Allensbach-Institut/ forgsight)